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■ Designer bekam Drohbrief wegen neuer TelefonzellenDas Grauen ist magenta-rot

Leipheim (taz) – Wegen seiner bedeutendsten Idee hat Wolfgang Heieck aus dem schwäbischen Städtchen Leipheim auch am meisten einstecken müssen. Zunächst glaubte er nicht, daß er das Rennen machen würde, als er 1987 von der Post den Auftrag bekam, eine neue Standard-Telefonzelle zu entwickeln. Damals war er noch nicht selbständig, sondern in einem Designerbüro beschäftigt. Doch seine Idee setzte sich durch. „Es gibt schönere Häuschen, aber Design wird nun mal nur zu 40 Prozent bewertet“, sagt der 40jährige. Den großen Rest machten Technik und Reparaturfreundlichkeit aus.

Kein Wunder bei der Gesamtzahl von 165.000 Telefonzellen in der Bundesrepublik. Der überwiegende Teil davon sind weder die „Rundholmhäuschen“, die laut Telekom für „hypermoderne Citybereiche oder sanierte Altstadtflächen“ gedacht sind, noch die offenen Telefonhauben. Auch die Häuschen des berühmten Richard Sapper (z.B. Leuchte „Tizio“) mit ihrer Pyramidenhaube sind schon wieder ein Auslaufmodell. Standard ist Wolfgang Heiecks rechteckiges, 1 x 1 x 2 Meter großes „Normalhäuschen“. Als es soweit war, mußten 100 dieser neuen Zellen einen Härtetest durchstehen – im Gebirge, an der Nord- und Ostsee. Herr Heieck wurde wegen der neuen Zellen heftigst beschimpft, erhielt sogar Drohbriefe. Eine Frau schrieb ihm anonym, daß dem Designer sein Lachen noch vergehen werde, wenn er irgendwann in einer Notsituation wegen der scheußlichen Farbe kein Telefonhäuschen finde. Kaum zu erkennen sei das Magenta-Rot.

Zum selben Schluß kam auch der ADAC, der bei Einführung der Zellen eine große „Mitgliederaktion“ startete. Leser der ADAC- Motorwelt wurden aufgefordert, die ideale Farbkombination im Rahmen eines Wettbewerbs zu kreieren. Dabei kam genau das heraus, was Herr Heieck als Prototyp gezeichnet hatte: eine Telefonzelle in Gelb-Grau.

Dann aber wurde die Post dreiteilig privatisiert, und die Telekom änderte ihr Erscheinungsbild. Ein Schweizer Grafikbüro hat die Farben (Magenta-Rot und Altweiß) ausgewählt. Das hatte Herr Heieck auch zuvor dem ADAC mitgeteilt: „Dieser aber ignorierte die Information und ließ noch einmal die ursprünglichen Farben von seinen Mitgliedern neu erfinden“, ärgert sich der Designer.

Im ZDF präsentierte der ADAC im vergangenen September das Ergebnis einer TED-Umfrage. Die meisten der 27.000 AnruferInnen hatten sich für das Häuschen in Grau-Gelb ausgesprochen. Eine Emnid-Umfrage kam zu einem ähnlichen Ergebnis: 73 Prozent der Deutschen wollen gelbe Telefonzellen!

Für Wolfgang Heieck ist längst wieder der Alltag eingekehrt. 175 Dinge hat er in den vergangenen vier Jahren gestaltet: Omnibusse, Plastikbadewannen, Autotelefone, Baby-Nachttöpfe, Spielsachen, Scheckhüllen, Rasenmäher, Rolltreppen und eine Thermoskanne mit Kindersicherung. Bei einigen Sachen, die in der Werkstatt stehen, schüttelt Wolfgang Heieck den Kopf. Dann gibt es keine Erklärungen. Nur den Hinweis: „Geheim!“

Am meisten, sagt der Designer, fuchsen ihn Geschmacksfragen – wie etwa bei Kleiderhaken. „Das ist das schwierigste, Kleiderhaken zu erfinden. Da sind die Leute komisch.“ Runde Grundplatten zur Befestigung an der Wand seien bei Haken überhaupt nicht gefragt, ovale dagegen schon. Zur Zeit hat er Handtuchhaken in der Mache. Solche, bei denen das Handtuch bei Benutzung nicht immer gleich runterrutscht. Dazu Heieck trocken: „Als Designer ist man zu 80 Prozent Techniker und nur zu 20 Prozent Künstler.“ Klaus Wittmann

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