„Sportlich-fair“ in den Knast

■ Urteil im Dagobert-Prozeß: Sieben Jahre und neun Monate Gefängnis für den Kaufhauserpresser Funke / Richter berücksichtigt faires Verhalten bei Urteilsfindung

Berlin (taz) – Der genialste und beliebteste Kriminelle der Nachkriegszeit, Arno Funke alias Dagobert, wurde gestern an seinem 45. Geburtstag vor dem Berliner Landgericht zu sieben Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Er war wegen 16 „selbständiger Handlungen“ gegen ein Hertie- und fünf Karstadt-Kaufhäuser angeklagt worden.

Im einzelnen wurde Funke die vorsätzliche Herbeiführung von sechs Sprengstoffexplosionen in Tateinheit mit räuberischer Erpressung vorgeworfen. Bei der Strafzumessung war Richter Nils Neelsen zwar nicht dem Staatsanwalt gefolgt, der penibel alle Bombenattentate und Geldübergabeversuche in Gefängnisstrafen umgerechnet hatte (und dabei auf über zehn Jahre gekommen war), er blieb jedoch über dem von Funkes Verteidiger, Wolfgang Ziegler, für gerecht gehaltenen Strafmaß von unter fünf Jahren. Ziegler hatte dabei insbesondere mit der von Gutachtern bestätigten Gehirnschädigung des Angeklagten argumentiert, die dieser sich als Schildermaler durch jahrelanges Einatmen hochgiftiger Lösungsmitteldämpfe zugezogen hatte. Dadurch war Funke 1988 schließlich arbeitsunfähig und depressiv geworden.

Der Richter berücksichtigte diese „mildernden Umstände“ zwar, wog sie aber gegen „die langen gründlichen Tatvorbereitungen“ und die dabei zutage getretene „erhebliche kriminelle Energie“ Arno Funkes ab. Für den Angeklagten sprach nach Meinung des Gerichts jedoch auch sein „freimütiges Geständnis“, in dem er unter anderem das Mitführen einer Pistole erwähnt hatte. Dies hätten Polizei und Staatsanwaltschaft ihm nie nachweisen können.

Der dem Abschreckungsaspekt von Strafen abholde Richter begründete abschließend die seiner Meinung nach „angemessene Ahndung des Unrechts“, die durch Umrechnung auf „vier Tatkomplexe“ zustandekam, mit dem insgesamt „sportlich-fairen Verhalten“ Arno Funkes bis zu seiner Verhaftung 1994. Außerdem berücksichtigte er bei der Urteilsfindung die im Moabiter Untersuchungsgefängnis zutage getretene „Haftempfindlichkeit“ Funkes. Letztere äußerte sich in einem aufgebrochenen Zwölffingerdarmgeschwür und einem Selbstmordversuch, und das, obwohl der Angeklagte in seiner Zelle die ganze Zeit Antidepressiva geschluckt hatte. Dies ließ wiederum Rechtsanwalt Ziegler bezweifeln, ob sein Mandant bis zu seinem frühesten Entlassungstermin in cirka drei Jahren durchhalten werde – und ob die vom Richter verhängte Strafe deswegen noch als „angemessen“ bezeichnet werden könne. Jimmy Cooke