Kanzlerfrage: In welche Hütte zieht Helmut Kohl?

Noch in diesem Monat muß Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) kraft seiner Richtlinienkompetenz eine Richtungsentscheidung treffen. Er darf sich das Outfit seines zukünftigen Kanzleramts aussuchen, das nahe des Reichstages im Berliner Spreebogen errichtet wird. An dieser Stelle war einst vor dem Mauerfall übrigens Kohls Geschenk an die Stadt West-Berlin geplant, das Deutsche Historische Museum. Nun kann der Bundeskanzler selbst hier wohnen und sich auch selbst sein Amtsgehäuse wählen, weil die feige Jury des Architektur-Wettbewerbs zwei Sieger kürte. Nicht nur in Feuilletons der Hauptstadt liegen deshalb die Nerven blank: Wird sich der Kanzler für die Variante 1 entscheiden, das abweisende, autoritär prangende Modell – und damit für eine rückwärts gewandte Architektur? Energiespar-Fenster, die wie Schießscharten wirken, Türme an allen Ecken (Wachtürme?)... Oder verzichtet der Kanzler auf diesen Mantel der Geschichte aus Naturstein und wählt die postmoderne Variante 2? Sie steht für mehr Transparenz in der Demokratie und eine freie Marktwirtschaft; sie verleugnet aber mit ihren putzigen Dachpfannen und Werbestandarten auch nicht völlig ihren Platz im deutschen Kulturkreis. Für die taz-Wahrheit wäre die Entscheidung übrigens kein Problem. Wir empfehlen die Variante 1, die mit 46 Mark 50 klar billiger ist als die Variante 2 (49 Mark 95). kotte

Abb.: Vollmer Modellbahn

Katalog 94/95