■ Das Portrait
: Werner Scharff

Vor 50 Jahren ermordet Foto: Schieb

Heute vor 50 Jahren wurde Werner Scharff von einem Berliner Haftort ins KZ Sachsenhausen gebracht, vor eine Meßlatte gestellt, um angeblich seine Körpergröße zu messen, und durch eine Öffnung in Kopfhöhe von hinten erschossen. Als er starb, war er 32 Jahre alt.

Werner Scharff gehörte zu den ganz wenigen Juden, die während der Deportationszeit ab Herbst 1941 vieles taten, um das Elend der zur Deportation Aufgerufenen zu mildern. Er konnte dies tun, da er als Elektriker Zutritt zu allen Berliner Sammellagern hatte: Er nahm Briefe mit hinaus und brachte persönliche Gegenstände zu den Wartenden hinein. Aber das war nicht alles: Da seine Freundin Fancia Grün als Schreibkraft Deportationslisten tippen mußte, wußte er, wann Freunde und Bekannte auf den Listen standen. Er warnte viele vor ihrer bevorstehenden Abholung, so daß sie rechtzeitig untertauchen konnten. Seine Frau Gertrud druckte falsche Werkausweise in der Druckerei Wiegel, bei der sie zur Zwangsarbeit eingeteilt war. Diese Ausweise erleichterten manchen Illegalen das Leben. Werner Scharff, seine Frau und Fancia Grün tauchten am 10. Juni 1943 unter. Durch einen Zufall wurde er einen Monat später erkannt, verhaftet und im August 1943 nach Theresienstadt deportiert. Im September gelang ihm die Flucht. Angesichts des erlebten Elends im Ghetto Theresienstadt wollte Werner Scharff nicht „einfach“ überleben, sondern gegen das NS-Regime kämpfen.

Nach Berlin zurückgekehrt, knüpfte er alte und neue Kontakte und fand im Justizangestellten des Amtsgerichts Luckenwalde, Hans Winkler, einen begeisterten Mitstreiter. 1944 entstanden drei Flugblätter, die die Bevölkerung zum passiven Widerstand und zur Auflehnung gegen das Regime aufriefen. Scharff und Winkler mobilisierten einen einzigartigen Kreis von Juden und Nichtjuden.

Werner Scharff wurde am 14. Oktober 1944 in Prieros in Brandenburg verhaftet und nach Berlin gebracht, dort gefoltert. Er muß das Widerwärtigste erlebt haben, was ein Gefangener erleben kann. Im Polizeigefängnis am Alexanderplatz hatten er und seine Frau durch Kassiber Kontakt. Wie seine letzten Monate aussahen, wo er sie verbringen mußte – all das wissen wir nicht. Wir wissen nur, daß er am 16. März 1945 ohne Gerichtsurteil erschossen worden ist. Menschen wie Werner Scharff haben der Nachkriegsgeschichte sehr gefehlt. Barbara Schieb