Fritten an Kunstsoße

■ Kunst und Design als nette Nachbarn: „Die Kunst und das schöne Ding“, eine Mammutschau in der Weserburg

Jetzt kriegt Andy sein Fett ab. Sein Suppendosenplakat – auf Leinwand gedruckt, zu Kunst erklärt und dann massenhaft reproduziert – galt bisher als ultimatives Statement über das Verhältnis von Kunst und Kommerz, von geistigen und industriell gestanzten Produkten. Aber nichts währt eben ewig, selbst die Pop-Art nicht. Warhols Recycling-Methode erhält jetzt verschärfte Konkurrenz, und zwar quasi von der Gegenseite: Die deutsche Designgruppe Bär & Knell wirft eine Möbelserie auf den Markt, in der ausrangierte Werbeplakate zu Kunststoffhockern umgeschmolzen sind. Nun kann der Konsument, ganz auf der Höhe des Zeitgeistes, auf der recycelten Fritten- oder auch Pampersreklame Platz nehmen, dieweil von der Küchenwand herab das alte Warholposter leuchtet.

Wie das alles zusammenpaßt, das demonstriert derzeit das Neue Museum Weserburg. Dort ist das Ensemble aus Pop-Art und Designer-Pop wahrhaft traulich vereint: Vor Warhols Bild, einem der Prachtstücke der Museumssammlung, prangen seit gestern, hübsch drapiert, die plakativen Hocker. Eines von gut 200 Beispielen für die fruchtbare Nachbarschaft von Kunst und Design – diese Behauptung jedenfalls stellt die Ausstellung „Die Kunst und das schöne Ding“ auf.

Als eine „provokative Fragestellung“ versteht Gastkurator Jean Nouvel seine Schau: „ein echter Angriff auf heiligen Boden“, raunte er den Pressevertretern zu. Denn eine solch direkte Gegenüberstellung von aktuellem Design und zeitgenössischer Kunst ist in diesem Maßstab eine Novität, zumindest in deutschen Museen. Die besten Stücke des „Internationalen Designjahrbuchs“, von Nouvel selbst ausgewählt, mittenmang ins Kunstmuseum verfrachtet; Holzregale neben Spoerris Holzcollagen, Plastikstühle neben Warholkunst.

Schon möchte man feststellen, daß ja wirklich manche Plastik und manch schmuckes Designertischchen bestens zusammenpassen. Da aber schreiten die Initaitoren machtvoll ein. Denn so will Nouvel die „provokative Fragestellung“ nicht verstanden wissen. Nicht nach oberflächlichen Ähnlichkeiten soll gefragt werden, sondern nach den tieferliegenden Beziehungen zwischen den vermeintlich getrennten Künsten. Weserburg-Direktor Deecke springt ihm bei: „Kein Konsens, keine Melange“ solle aus der Begegnung entstehen; vielmehr gelte es, „Zusammenhänge und Distanzen sichtbar zu machen“ und eine „befruchtende, dialogische Situation“ herzustellen.

Und wirklich: Die beiden Künste haben sich so einiges zu sagen. Es singt z.B. Köbi Wiesendangers Holzregal, aus extragroben Rohholz zusammengehauen, das Lob der Schlichtheit – da kann Daniel Spoerris Holzassemblage nur seuzend nicken. Von der Arte Povera der 60er bis zur „neuen Bescheidenheit“ der 90er ist es hier nur ein kleiner Schritt. Als entfernte Verwandte im Geiste lernen sich auch Reiner Ruthenbeck und der Designer Hogendijk kennen. Des Einen Hängekunst und des Anderen Schaukelbett geben nicht nur ein schönes Paar ab – beide Kunststücke erforschen auch gemeinsam die Grundgesetze der Schwerkraft, ja, der Physik. Ganz ernsthaft, doch mit großer Leichtigkeit.

Heftiges Gezeter ist hingegen im Horst-Richter-Raum zu vernehmen. Richters „1024 Farben“-Bild muß sich dort mit einem quadratisch-praktischen Regalsystem arrangieren. Viel mehr als die Quadratform haben die Werke freilich nicht gemeinsam. Daß die braven Holzkuben auch nur näherungsweise die subversive Kraft von Richters Bild entwickeln, einem Manifest der (Industrie-)Gesellschaftskritik – schwer vorstellbar. Serielle Kunst und Serienproduktion haben bisweilen doch nur den Anfangsbuchstaben gemein.

So plappern Kunst und Design manchmal auch munter aneinander vorbei. Dann bleibt dem Betrachter doch wieder nur die Bewunderung der Oberflächen übrig. Das ist zwar nicht im Sinne der Veranstalter. Aber es fördert, vielleicht unfreiwillig, auch ganz interessante Fragen und Aspekte ans Licht. Im direkten Nebeneinander von schicken Sesseln und allzu dick aufgetragenen Bildern entfaltet so mancher Neuer Wilde erst seine vollendete, dekorative Strahlkraft. Daß Nouvel ausgerechnet hier bunte Plüschmöbel hinpflanzte, erweist sich als hübsch hinterhältiger Kunstgriff. Ja, bisweilen ist es frappierend mitanzuschauen, wie ansatzlos die plakative Kunst – sagen wir, eines A.R. Penck – in die wohlgeschliffene Pracht gefälligen Designs hinüberfärbt. So weist sich schließlich, daß Design und Kunst vielleicht mehr miteinander zu tun haben, als selbst den Vätern dieser schönen Schau lieb ist. Thomas Wolff

Bis 7. Mai im Neuen Museum Weserburg (Teerhof 20)

Jetzt kriegt Andy sein Fett ab. Sein Suppendosenplakat – auf Leinwand gedruckt, zu Kunst erklärt und dann massenhaft reproduziert – galt bisher als ultimatives Statement über das Verhältnis von Kunst und Kommerz, von geistigen und industriell gestanzten Produkten. Aber nichts währt eben ewig, selbst die Pop-Art nicht. Warhols Recycling-Methode erhält jetzt verschärfte Konkurrenz, und zwar quasi von der Gegenseite: Die deutsche Designgruppe Bär & Knell wirft eine Möbelserie auf den Markt, in der ausrangierte Werbeplakate zu Kunststoffhockern umgeschmolzen sind. Nun kann der Konsument, ganz auf der Höhe des Zeitgeistes, auf der recycelten Fritten- oder auch Pampersreklame Platz nehmen, dieweil von der Küchenwand herab das alte Warholposter leuchtet.

Wie das alles zusammenpaßt, das demonstriert derzeit das Neue Museum Weserburg. Dort ist das Ensemble aus Pop-Art und Designer-Pop wahrhaft traulich vereint: Vor Warhols Bild, einem der Prachtstücke der Museumssammlung, prangen seit gestern, hübsch drapiert, die plakativen Hocker. Eines von gut 200 Beispielen für die fruchtbare Nachbarschaft von Kunst und Design – diese Behauptung jedenfalls stellt die Ausstellung „Die Kunst und das schöne Ding“ auf.

Als eine „provokative Fragestellung“ versteht Gastkurator Jean Nouvel seine Schau: „ein echter Angriff auf heiligen Boden“, raunte er den Pressevertretern zu. Denn eine solch direkte Gegenüberstellung von aktuellem Design und zeitgenössischer Kunst ist in diesem Maßstab eine Novität, zumindest in deutschen Museen. Die besten Stücke des „Internationalen Designjahrbuchs“, von Nouvel selbst ausgewählt, mittenmang ins Kunstmuseum verfrachtet; Holzregale neben Spoerris Holzcollagen, Plastikstühle neben Warhols Plastikkunst.

Schon möchte man feststellen, daß ja wirklich manche Plastik und manch schmuckes Designertischchen bestens zusammenpassen. Da aber schreiten die Initaitoren machtvoll ein. Denn so will Nouvel die „provokative Fragestellung“ nicht verstanden wissen. Nicht nach oberflächlichen Ähnlichkeiten soll gefragt werden, sondern nach den tieferliegenden Beziehungen zwischen den vermeintlich strikt getrennten Künsten. Weserburg-Direktor Deecke springt ihm bei: „Kein Konsens, keine Melange“ solle aus der Begegnung entstehen; vielmehr gelte es, „Zusammenhänge und Distanzen sichtbar zu machen“ und eine „befruchtende, dialogische Situation“ herzustellen.

Und wirklich: Die beiden Künste haben sich so einiges zu sagen. Es singt z.B. Köbi Wiesendangers Holzregal, aus extragroben Rohholz zusammengehauen, das Lob der Schlichtheit – da kann Daniel Spoerris Holzassemblage nur seuzend nicken. Von der Arte Povera der 60er bis zur „neuen Bescheidenheit“ der 90er ist es hier nur ein kleiner Schritt. Als entfernte Verwandte im Geiste lernen sich auch Reiner Ruthenbeck und der Designer Hogendijk kennen. Des Einen Hängekunst und des Anderen Schaukelbett geben nicht nur ein schönes Paar ab – beide Kunststücke erforschen auch gemeinsam die Grundgesetze der Schwerkraft, ja, der Physik. Ganz ernsthaft, doch mit großer Leichtigkeit.

Heftiges Gezeter ist hingegen im Horst-Richter-Raum zu vernehmen. Richters „1024 Farben“-Bild muß sich dort mit einem quadratisch-praktischen Regalsystem arrangieren. Viel mehr als die Quadratform haben die Werke freilich nicht gemeinsam. Daß die braven Holzkuben auch nur näherungsweise die subversive Kraft von Richters Bild entwickeln, einem Manifest der (Industrie-)Gesellschaftskritik – das ist schwer vorstellbar. Serielle Kunst und Serienproduktion haben bisweilen doch nur den Anfangsbuchstaben gemein.

So plappern Kunst und Design manchmal auch munter aneinander vorbei. Dann bleibt dem Betrachter doch wieder nur die Bewunderung der Oberflächen übrig. Das ist zwar nicht im Sinne der Veranstalter. Aber es fördert, vielleicht unfreiwillig, auch ganz interessante Fragen und Aspekte ans Licht. Im direkten Nebeneinander von schicken Sesseln und allzu dick aufgetragenen Bildern entfaltet so mancher Neuer Wilde erst seine vollendete, dekorative Strahlkraft. Daß Nouvel ausgerechnet hier bunte Plüschmöbel hinpflanzte, erweist sich als hübsch hinterhältiger Kunstgriff. Ja, bisweilen ist es frappierend mitanzuschauen, wie ansatzlos die plakative Kunst – sagen wir, eines A.R. Penck – in die wohlgeschliffene Pracht gefälligen Designs hinüberfärbt. So weist sich schließlich, daß Design und Kunst vielleicht mehr miteinander zu tun haben, als selbst den Vätern dieser schönen Schau lieb ist. Thomas Wolff

Bis 7. Mai im Neuen Museum Weserburg (Teerhof 20)