Silvio Berlusconi muß noch weiter warten

■ Italiens Regierung Dini erhält das Vertrauen des Parlaments / Jetzt auch die Neokommunisten gespalten / Neue Stolpersteine sind schon in Sicht

Rom (taz) – Silvio Berlusconi wieder ohne Erfolg: So schlau hatten Italiens Ex- Ministerpräsident und die Neofaschisten die Sache eingefädelt, den derzeitigen Regierungschef durch endloses Hin und Her zur Vertrauensfrage zu zwingen, was die Aussicht auf den so erhofften Sturz der Regierung und Neuwahlen erheblich verbessert hätte.

Doch schnöde haben die Abgeordneten der Italienischen Republik wieder nein gesagt – mit 315 zu 309 Stimmen erhielt Lamberto Dini mit seinem Technokraten-Kabinett das Vertrauen der Deputiertenkammer.

Gegen Dini stimmten die Forza Italia Berlusconis, die Neofaschisten von der Nationalen Allianz sowie einige kleinere Gruppen der Rechten und der Reformpakt Marco Pannellas. Für ihn votierten geschlossen die Linksdemokraten, die Ex- Christdemokraten der Italienischen Volkspartei, der Referendumspakt, die – ansonsten gespaltene, in diesem Falle wieder geeinte – Lega Nord, eine Reihe Vertreter von Minderheiten sowie 16 der 38 Fraktionsmitglieder der Rifondazione comunista, die damit den Ausschlag zugunsten Dinis gaben. In ersten Kommentaren äußerten sich Berlusconi und Sprecher der Rechten verbittert über die „erneute Verfälschung des Wählerwillens“, während die Linke und die Moderaten ein Loblied auf den Gemeinsinn und die demokratische Stärke dieses Parlaments anstimmten.

Zur Vertrauensfrage war es gekommen, weil Dini den Nachtragshaushalt von umgerechnet knapp 20 Milliarden Mark gefährdet sah und der steile Lira-Absturz der vergangenen Tage sowie wachsende Nervosität des Aktienmarktes und Klagen der Unternehmensverbände über weiter sinkendes Vertrauen ihrer Auslandspartner das wirtschaftliche Desaster immer deutlicher gemacht hatten.

Mit dem Gewinn der Abstimmung sind für Dini allerdings noch keineswegs alle Hindernisse ausgeräumt: Nun muß der Haushalt noch in seiner Gänze gebilligt werden, da einzelne Passagen bereits vor Einbringen der Vertrauensfrage geändert worden waren; ein Verbleib dieser Änderungen würde eine erneute Debatte in der zweiten Kammer, dem Senat, erzwingen und, sofern dieser auch nur ein Komma ändert, eine neue Runde auch im Abgeordnetenhaus nach sich ziehen.

Dort wäre der Ausgang angesichts der sich derzeit rapide ändernden Verhältnisse innerhalb jener Gruppen, die Dini das Vertrauen gegeben haben, erneut ungewiß. Die Italienische Volkspartei, die diesmal noch uneingeschränkt zu Dini gestanden hat, ist drauf und dran, sich zu spalten, nachdem das am Wochenende gegen den Parteivorsitzenden Rocco Buttiglione ausgesprochene innerparteiliche Mißtrauensvotum vom Ältestenrat annulliert worden ist, die Parteilinke aber auf Neuwahlen des Sekretärs besteht. Gleichzeitig ist auch innerhalb der Rifondazione comunista ein schwerer, wahrscheinlich zum Bruch führender Streit wegen der von der Parteilinie abgewichenen Jasager ausgebrochen: Da könnten sich einzelne dieser Dissidenten, um nicht aus der Partei ausgeschlossen zu werden, zur „Umkehr“ entschließen, und dies würde den Erfolg bei weiteren Abstimmungen wieder unsicher machen.

Bereits bei früheren Regierungen – etwa unter dem späteren Staatspräsidenten Francesco Cossiga und unter dem Sozialisten Bettino Craxi – hatte es solche Aufeinanderfolgen gegeben, wonach die Regierungschefs trotz gewonnener Vertrauensfrage doch noch zurücktraten.

Für die Regierung Dini steht, sollte der Nachtragshaushalt endlich verabschiedet sein, bereits eine neue schwere Bewährungsprobe auf der Tagesordnung: die Neuordnung des Rentenwesens. Hier hat Dini selbst die Vorverhandlungen geführt und in einigen Punkten bereits Einigkeit mit den Gewerkschaften erzielt, so etwa in der Trennung des bisher miteinander verschlungenen Pensions- vom Krankenkassenwesens.

Der größte Brocken ist jedoch die weltweit einmalige bisherige Regelung, wonach jeder Beitragszahler nach 35 Jahren Arbeit in den Ruhestand treten kann und sofort Rente erhält – ein für den Staatshaushalt seit Jahrzehnten kaum mehr bewältigbarer Zustand, den bereits mehr als sechs aufeinanderfolgende Regierungen anzugehen versucht und erfolglos wieder abgebrochen haben. Darunter auch die Regierung Berlusconi – Verhandlungsführer damals: Lamberto Dini, in seiner Eigenschaft als Schatzminister.

Werner Raith Seite 8