Elektrosmog: Haus unverkäuflich

■ Wenn der Starkstrommast nebenan steht, wird das Eigenheim zur Ruine / Bremerin kriegt ihr Haus nicht los / Das Kinderzimmer ist nur noch Abstellraum

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, bei einem (fast) geschenkten Haus wird schon eher auf Feinheiten geachtet, zumindest wenn ein 50 Meter hoher Strommast direkt nebenan steht. Diese Erfahrung machte Gabriela Lokocz, die seit Anfang letzten Jahres versucht, ihr Grundstück in Bremen-Blumenthal zu verkaufen.

1981 hatte sie ihr Haus gebaut. Da hatte der Mast schon lange gestanden. 1940 hatten die Bremer Stadtwerke den ersten Mast errichtet. 13 Jahre lang wohnte sie mit ihren fünf Kindern in der Einfamilienhaussiedlung. Nun sind Steuervergünstigungen weggefallen, die Frau muß verkaufen.

Über ein Jahr inserierte sie in überregionalen Zeitungen und im Bildschirmtext, sie schaltete Makler ein – ohne Erfolg. 425.000 Mark wollte sie ursprünglich haben, mittlerweile ist sie auf 330.000 Mark runter, doch auch das brachte keine Käufer zum Anbeißen. Inzwischen steht ihr eine Zwangsversteigerung des 110 qm großen Hauses bevor. Auch hier wird, wenn überhaupt, nur ein sehr geringer Verkaufspreis erzielt werden, Gabriela Lokocz kann sich auf einen ganzen Batzen Schulden einstellen.

Der Grund allen Übels steht fünf Meter neben dem Haus, ist 50 Meter hoch und gehört dem Energiemulti Preußen-Elektra: Ein Hochspannungsmast, 110 Kilovolt stark. Schlimmer scheint es HausbesitzerInnen kaum noch treffen zu können. Seit dem Aufkommen der Elektro-Smog Debatte und dem Wissen um die Gefahren von elektromagnetischen Feldern ist das Haus praktisch unverkäuflich.

„Genau an dem Tag, an den sich ein Ehepaar das Haus anschauen wollte, erschien in der Tageszeitung ein Artikel über Elektro-smog“, berichtet Gabriela Lokocz resigniert. Als sie den Strommast sahen, wollten sie das Haus gar nicht mehr von innen sehen.“

So erging es ihr bei allen Interessenten. Ein Interessent hatte ihr lapidar gesagt, das Haus würde er nicht mal geschenkt nehmen. Das hat sie am meisten schockiert. „All die Jahre haben wir uns keine Gedanken über diesen Mast gemacht und von einer Sekunde auf die nächste hatten wir das Gefühl, auf verstrahltem Gebiet zu wohnen.“

Um einen weiteren Preisverfall des Hauses zu verhindern, entschloß sich Gabriela Lokocz zusammen mit ihrem Anwalt, den Vorstand der Firma Preußen-Elektra zu bitten, ihr Grundstück zu kaufen. Schließlich habe die Preag durch den Strommast dafür gesorgt, daß das Haus im Wert gesunken sei. Häuser in der direkten Nachbarschaft mußten bereits in der Vergangenheit um 20 Prozent billiger verkauft werden, weil der Strommast störte.

Doch das sieht die Preag ganz anders. Sie ist Rechtsnachfolgerin der Nordwestdeutschen Kraftwerke AG. Und die wiederum hat sich schon 1940 das Recht eintragen lassen, das Grundstück mit einer Starkstromleitung zu überspannen. Und überhaupt: Die erlaubten Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO für elektrische und magnetische Feldern seien bis heute niemals überschritten worden. Das heißt: Eine gesundheitliche Schädigung kann nicht bewiesen werden.

Das ist die Frage. Die 18-jährige Tochter von Gabriela Lokocz leidet an Anämie. Ihr Kinderzimmer lag direkt unter der Hochspannungsleitung. Lag, denn das kleine Zimmer in der ersten Etage mit Blick auf den Garten dient inzwischen nur noch als Abstellkammer.

„Nachdem wir die elektrischen Felder haben messen lassen und das Gerät bis zum Anschlag reagierte, haben wir Katharina sofort ausquartiert. Jetzt traut sich fast niemand mehr in das Zimmer hinein“, und schnell schließt Gabriela Lokocz die Tür wieder. Sie hat Angst davor, daß ihre anderen Kinder und sie selber noch größere Schäden davon tragen. Vor Jahren erkrankte in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Junge an Leukämie.

Nach Untersuchungen der Internationalen Gesellschaft für Elektrosmog-Forschung (IGEF) ist das Risiko, an Krebs und Leukämie zu erkranken nach jahrelanger elektromagnetischer Einstrahlung um ein vielfaches höher. Viele Menschen schlafen schlecht, haben nervöse Beschwerden, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten.

Die Tochter von Gabriele Lokocz wurde krank, die Preag über die Krankheit informiert – doch auch das konnte das Unternehmen nicht umstimmen: keine finanziellen Zugeständnisse. Wenn die Preag jetzt das Grundstück kaufen würde, teilte das Unternehmen dem Anwalt von Gabriela Lokacz mit, dann wäre das ein Präjudiz für ähnliche Fälle. Schließlich seien im Raum Bremen eine Vielzahl von bebauten Grundstücken durch Hochspannungsleitungen überspannt. Und außerdem habe Frau Lokocz das Grundstück gekauft, als schon der Strommast dort stand, erklärte die Preag-Pressestelle.

Trotzdem: Gabriela Lokocz will nicht aufgeben. „Wenn jetzt eine Familie mit kleinen Kindern dieses Haus kaufen möchte, ich würde es ihnen nicht geben. Die Gefahr für die Kinder ist einfach zu groß!“, erklärt sie entschlossen. Sie will erreichen, daß die Preag das Grundstück kauft und dadurch anerkennt, daß aufgrund ihres gesetzten Strommastes der Wert des Hauses gesunken ist und die Gefahr von Krankheiten durch elektromagnetische Strahlungen besteht.

Neue Hoffnung schöpfen Gabriela Lokocz und ihr Anwalt aus dem Grundgesetz. Und zwar nicht etwa aus dem garantierten Schutz der körperlichen Unversehrtheit, sondern aus dem garantierten Schutz des Eigentums. Denn schließlich wurde das Haus durch den Strommast um ca. 115.000 Mark entwertet. Dieser Betrag übersteigt nach Ansicht des Anwaltes Hubertus Baumeister das „entschädigunslos zu Duldende“ bei weitem.

Sandra Stehr