Staatsanwaltschaft ermittelt

■ Brechmittel für Drogendealer – Reaktionen der Verantwortlichen eher lau. Innenressort: „Wir warten Ergebnisse der Staatsanwaltschaft ab.“

Wegen der Verabreichung von Brechmitteln an mutmaßliche Drogenhändler ermittelt nun die Bremer Staatsanwaltschaft gegen mehrere Polizeibeamte und einen Polizeiarzt. Den Beamten wird Körperverletzung im Amt vorgeworfen. Anlaß sind die Vorwürfe des Anti-Rassismus-Büros vom Donnerstag (taz vom 17.3.).

Die Grünen haben zwar gestern in der Justizdeputation eine sofortige Aussetzung der umstrittenen Brechmittel-Vergabe bis zur Klärung sämtlicher Vorwürfe gefordert, dieser Vorschlag wurde jedoch von den anderen Parteien abgeschmettert.

Martin Thomas, innenpolitischer Sprecher der Grünen, schlägt für den künftigen Umgang mit mutmaßlichen Drogendealern ganz pragmatisch vor: „Entweder freiwillig Brechmittel oder natürlicher Ausscheideweg.“ Voraussetzung sei aber immer, daß ein Verdächtiger tatsächlich beim Verschlucken von Drogenpäckchen beobachtet worden sei.

Thomas kritisierte, daß sowohl der Justiz- als auch der Innensenator sich aus der Verantwortung stehlen würden. Schließlich habe die Politik für das Verfahren an sich die Verantwortung, nicht die Polizei. Auch die Polizei fordere nämlich Aufklärung, wolle nicht insgesamt als rassistisch bezeichnet werden, so Martin Thomas nach einem Gespräch mit dem Revier Steintor. Allerdings müsse das Anti-Rassismus-Büro die Namen der ZeugInnen nennen, damit die Vorwürfe verifiziert werden könnten. 1992 war ein Verfahren wegen ähnlicher Vorwürfe des Anti-Rassismus-Büros eingestellt worden, da auch damals keine ZeugInnen genannt worden waren.

Auch die Senatorin für Ausländerintegration, Helga Trüpel, forderte gestern eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe, vor allem aber eine unabhängige Prüfung. Sie wies außerdem darauf hin, daß der Großteil der in Bremen lebenden StudentInnen, WissenschaftlerInnen, ArbeitnehmerInnen und Flüchtlinge aus Schwarzafrika noch nie etwas mit Rauschgift zu tun gehabt habe. Die rund 400 in den letzten zweieinhalb Jahren mit Brechmittel Traktierten stammten laut Polizeiarzt überwiegend aus Afrika, unter den 400 waren nur 36 EuropäerInnen. „Rassistische Praxis“, hatte das Anti-Rassismus-Büro die Polizei kritisiert.

Aus dem eigentich zuständigen Ressort, dem Innenressort, war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. „Die Staatsanwaltschaft ermittelt, und so lange die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind, äußern wir uns nicht“, antwortete Sprecherin Merve Pagenhardt lapidar auf alle Fragen nach einer Meinung des Innensenators zu den Vorwürfen.

Bedenken gegen die Verabreichungspraxis von Brechmitteln an mutmaßliche Drogendealer äußerte gestern auch das Gesundheitsressort. Matthias Gruhl von der Abteilung Gesundheitswesen: „Wir billigen die Vergabe von Brechmitteln nur, wenn ein akuter Verdacht vorliegt, daß Drogenpäckchen verschluckt worden sind, dann halten wir ein provoziertes Erbrechen auch wegen einer möglichen Intoxikation aus medizinischen Gründen für vertretbar.“ Aus der Literatur wisse er, daß sich solche Päckchen gelegentlich im Magen unter der Einwirkung der Magensäfte auflösten. Voraussetzung sei aber auch, daß zwischen Verschlucken und Erbrechen nicht mehr als eine halbe Stunde Zeit liege, denn nach einer halben Stunde bereits wandere Verschlucktes in den Darm weiter. Werde später erbrochen, sei das „wirkungslos und Quälerei“. Offenbar hat die Bremer Staatsanwaltschaft der Polizei aber eine Frist von bis zu zwei Stunden gesetzt. Um die Gefährlichkeit des Brechmittels Ipecacuan abschätzen zu können, läßt Gruhl das Mittel erneut toxikologisch prüfen. cis