Raboti, Raboti

■ Beim 1:1 gegen Bayern München kopieren die HSV-Spieler Präsident Ronald Wulff Von Clemens Gerlach

Am liebsten würde Ronald Wulff alles selbst machen. Vertragsverhandlungen mit Spielern und Sponsoren hier, ein bißchen pressesprechern dort und zwischendurch darauf achten, daß im Volksparkstadion der Rasen auch immer die richtige Länge besitzt und daß abends in der Geschäftsstelle an der Rothenbaumchaussee der letzte – wenn er es nicht selber ist – das Licht ausknipst.

Der Präsident des HSV fühlt sich für jeden Fitzel in seinem Verein zuständig, eine Eigenschaft, die ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist: wohlhabender Besitzer eines Dental-Labors und einer Gebäudereinigungsfirma. Bei jeder Mittelstandsvereinigung herzlich willkommen. Einzig mit Fleiß habe er es soweit gebracht: Jeder könne etwas erreichen, wenn er nur ausreichend „Raboti“ machen würde. Dieses Aufsteigercredo ist für den 50jährigen auch Richtschnur als Chef eines Bundesligaclubs. Arbeitsteilung ist da nicht vorgesehen. Für einen Mann, der um jeden Preis nach oben will, kann es da mit der Zeit ganz schön einsam werden.

Das wäre im übrigen gar nicht so schlimm, hätte es Wulff mit seinem Die-Firma-bin-ich-und-dennoch-darfst-du-mich-Ronny-nennen-Denken nicht in die Führungsetage des HSV gedrängt. Ein vom Ehrgeiz angetriebener Unternehmer mehr oder weniger – wen schert's schon, aber so? Aber so wird es natürlich alsbald ruchbar, wenn sich Wulff wieder einmal mit Gott und der (Medien-)Welt angelegt hat, die sich gegen und auf ihn verschworen und eingeschossen haben sollen. Die Mannschaft schweigt dazu beharrlich, was in der prekären Lage, in der sich der HSV nach 5:13-Punkten in Folge befindet, auch nicht weiter überrascht. Wer in der Scheiße sitzt, hat genug an den eigenen Hacken. Oder aber scheut der Bundesliga-Neunte den Königsmord, weil insgeheim doch Sympathie überwiegt?

Beim unverdienten 1:1 gegen die Bayern zumindest – Jörg Albertz in der Schlußminute per Freistoß, Mehmet Scholl per Foulelfmeter 20 Minuten zuvor – übertrugen die einzelnen Spieler das Wulffsche Diktum konsequent auf ein Bundesligaspiel. Über 90 Minuten war vor 60 000 Zuschauern im ausverkauften Volksparkstadion jeder der Bienenfleißigen – Marijan Kovacevic etwas zu sehr, bis der Eingewechselte fünf Minuten vor Schluß die Rote Karte kassierte – für alles zuständig und damit keiner für nichts. Alle waren überall und nirgendwo, was des Trainers Forderung, „vernünftig Fußball zu spielen“, eigentlich nicht gerecht wurde, aber, obschon auch kein kreatives Chaos, dennoch den Segen von Benno Möhlmann erhielt: „Der Punkt war trotz vieler Fehler verdient, Ordnung und Zusammenhalt besser als in den letzten Wochen.“ Der Coach ist halt bescheiden geworden, porentief glänzen muß es schon lange nicht mehr. Hauptsache ordentlich Raboti. Bloßer Einsatzwille reicht dem 40jährigen, der spielerische Akzente nur beim Gegner ausmachen konnte, den er für die „reifere Mannschaft“ hielt. Die zumeist knapp der A-Jugend entwachsenen Münchner, am vergangenen Mittwoch noch gegen Göteborg im Einsatz, werden es gerne gehört haben.

So abgeklärt, wie Möhlmann sie stark loben wollte, waren die Gäste, die sieben Torchancen leichtfertig hergaben, jedoch nicht. Ohne Richard Golz hätte der HSV jedenfalls „kein Erfolgserlebnis“ gehabt: „Vielleicht war's das Signal für eine schönere Zukunft.“ Eine an der der Ersatzkeeper nur mittelbar partizipieren wird: Ist Uli Stein wieder fit, geht es für ihn auf die Ersatzbank. Da hilft kein Raboti dieser Erde – für den Kasten ist der Routinier zuständig. Es sei denn Präsident Wulff hat auch hier ganz eigene Vorstellungen.