Das jüngste Gerücht

■ Herr, wirf Hirn vom Himmel: UFO-Forscher Michael Hesemann am Freitag in der Glocke

Als Ende der dreißiger Jahre das amerikanische Radio die Landung von Marsmenschen in New Jersey meldete, setzte in New York eine Massenpanik ein. Hunderttausende plünderten die Läden und flüchteten in das Landesinnere. Die vermeintliche Landung Außerirdischer war das Hörspiel „Krieg der Welten“ des Science-Fiction Schriftstellers W. H. Wells gewesen. Aber die Menschen waren noch nicht an das Medium Radio gewöhnt und hatten dem Augenzeugenbericht des fiktiven Reporters an der „Landestelle“ für echt gehalten. Sie lebten zudem in psychisch angespannter Lage: Die wirtschaftliche Depression hatte das soziale Gefüge der USA durcheinandergewirbelt, die Gesellschaft fühlte sich von außen bedroht. Seit 20 Jahren herrschen Kommunisten in der Sowjetunion, der Übergriff auf die USA schien möglich.

Die Angst vor unkontrollierten Außenseitern dieser oder anderer Welten lebte in den fünfziger Jahren fort. McCarthys Kommunistenhetze trieb merkwürdige Blüten: FBI-Chef J. Edgar Hoover errichtete eine Sondereinheit, die sich ausschließlich mit unbekannten Flugobjekten (UFO), und deren möglicher Abwehr beschäftigte.

Den Verfolgungswahn psychopatischer Amerikaner versuchte am Freitag abend UFO-Forscher Michael Hesemann dem zahlreichen Publikum in der Glocke als wahren Forschergeist zu vermitteln. „UFO-Forschung ist keine Spinnerei, damit beschäftigen sich Weltmächte“, meint Hesemann. In stundenlangem monotonen und leisen Gelispel erklärt Hesemann Fotos, Bilder und Filmaufnahmen von „außerirdischen Flugobjekten“. Er habe Mitglieder der amerikanischen und sowjetischen Luftwaffe und des Geheimdienstes interviewt. Diese hätten in Spezialeiheiten gearbeitet, seien tatsächlich auf UFOs gestoßen. Allein die Regierungen ihrer Länder würden die Beweise verschwinden lassen. Denn auch dort säßen die Gegner der Hesemann'schen Theorie. Politiker lügen an anderer Stelle, warum nicht auch bei der Existenz von UFOs?

Die Verschwörungstheorie der Nichtgläubigen hat Hesemann in seinem Verlag als Buch herausgegeben. „Geheimsache UFO – Die wahre Geschichte der unbekannten Flugobjekte“ verspricht er zu lüften. Er argumentiert geschickt: „Dieses Foto ist umstritten“, sagt er zu einer Aufnahme, auf der ein Militärflugzeug scheinbar direkt ein UFO umkreist. Ungläubige würden behaupten, es seien deutlich Bindfäden auf dem Bild zu erkennen, die fliegenden Teile somit als Modelle enttarnt. Hesemann versichert, daß seine Fachleute das Bild genau analysiert und für echt befunden hätten. Wissenschaftlich versucht Hesemann sich durch eine Fülle an Details zu geben. Eine staatliche Verschwörung läßt sich um so leichter aufdecken, wenn Dutzende an Gegenzeugen, Artikelnummern, Codes und technische Typenbezeichnungen geliefert werden. Wenn die Fakten so drücken, wer kann dann noch die Tatsache bezweifeln?

Doch extraterrestrische Lebewesen sind nicht die einzige Passion des Michael Hesemann. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „2.000 - Magazin für Neues Bewußtsein“ schreibt er über „Leben und Leiden des Jesus von Nazareth“. Detailliert läßt er sich über das „einfache Bauernmädchen“ Therese Neumann aus Bayern aus, die Anfang des Jahrhunderts eine Christus Erscheinung gehabt haben will. Selbst Fotos mit der blutbefleckten und stigmatisierten „Resl“ nach einer „Vision vom Tode Jesu“ hat Hesemann ausgegraben.

Gläubige aller möglichen mystischen und mysteriösen Heilsbewegungen kommen in Hesemanns Magazin zu Wort. Der „Generalbevollmächtigte der außerirdischen Raumfahrtflotte und Sternenbruder“ Ashtar Sheran beschwört die KäuferInnen seiner Broschüren: „Lebe im Sein des Allmächtigen!“. Alchimisten suchen sich in den Kleinanzeigen, Bienenwachskerzen werden gegen Migräne und Ohrenschmerzen zu horrenden Preisen angeboten. Und auch Hesemann hat noch etwas anzupreisen. Den UFO-Kongreß, auf dem die Frage geklärt werden soll: „Wie kann sich die Menschheit auf einen Kontakt mit Außerirdischen vorbereiten?“ ufo