■ Nach den Anschlägen auf türkische Einrichtungen
: Gewalt produziert Gegengewalt

Die Bilder gleichen sich. Eingeschlagene Scheiben, verkohlte Gegenstände, Ruß an den Wänden. Vor zwei Jahren waren es deutsche Rechtsradikale, die türkische Einrichtungen und Wohnhäuser angriffen. Diesmal sind die Ziele in erster Linie Reisebüros, aber auch Moscheen und rechtsgerichtete oder politisch neutrale türkische Vereine. Diese Übergriffe tragen die Handschrift von Linken. Die Täter werden unter den türkischen Linksradikalen und der kurdischen PKK vermutet. Ist das der Grund, warum die deutsche Öffentlichkeit bislang kaum reagiert? Sind linke Brandstifter bessere Menschen als Rechte?

Für die Opfer, die ihre Existenz oder ihr Leben verlieren, spielt diese Frage keine Rolle. Die kritische Öffentlichkeit in Deutschland aber wird sich diesen Fragen stellen müssen. Es bleibt das Rätsel der Grünen und der SPD, weshalb ihre Wahrnehmungsorgane versagen, wenn die Gewalt nicht wie gewohnt von rechts kommt, sondern von links.

Ist es politisch vernünftig und menschlich vertretbar, wenn man das Reagieren auf diese Gewalttaten der CSU überläßt, die jetzt die Chance für eine erneute Reglementierung des Asylrechts wittert? Die Kölner Großdemonstration am Samstag, an der vor allem Alawiten, aber auch türkische Staatsbürger unterschiedlicher Konfession teilnahmen, zeigt, daß die zersplitterte türkische Gemeinschaft in einem Punkt völlig einig ist: Für Gewalt gibt es kein Verständnis. Als kleine Gruppen aus der Demonstration heraus provozierten, griffen die Ordnungskräfte der Veranstalter durch und verhinderten so eine Eskalation.

Türken und Kurden in Deutschland sind sensibilisiert. Sie sehen sich gezwungen, zu den politischen Vorgängen in ihrer ursprünglichen Heimat Stellung zu beziehen. Dabei werden sie zur Zielscheibe von Provokationen. Türkische und kurdische Nationalisten heizen die Lage auf. Ihnen gegenüber muß jetzt entschiedener gehandelt werden. Die Sorglosigkeit der Bundesregierung und die naive Einäugigkeit der deutschen Linken, deren Position zur Gewalt anscheinend immer noch ungeklärt ist, haben Deutschland binnen weniger Jahre in ein Pulverfaß verwandelt. Bei alledem darf nicht vergessen werden, wo die Wurzeln des Übels liegen. Ohne eine Befriedung der Türkei werden die Auseinandersetzungen unter den türkischen Staatsbürgern in Deutschland zunehmen. Denn Gewalt produziert Gegengewalt. Diese Binsenweisheit endlich auch der türkischen Regierung klar zu machen müßte heute vorrangiges Ziel der deutschen Politik sein. Vielleicht merken in diesen Tagen jene Politiker in Bonn, die vor den Realitäten des Einwanderungslandes Deutschland die Augen schließen wollten, wie sehr die Türkeipolitik zur Innenpolitik Deutschlands geworden ist. Zafer Șenocak