■ Normalzeit
: Verbockte Bestseller

Viel zu selten liegen außer Rechnungen und Mahnungen auch mal lukrative Angebote in meinem an sich toten Briefkasten. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“ hieß das letzte. Es kam vom Christoph Links Verlag und seinem West-Manager, die gerade einen Subverlag gründeten – „für Zeitgeist und Regionales“. Dafür sollte ich eine reich bebilderte Monographie über die Ost-Vespa „Schwalbe“, von Simpson aus Suhl, zusammenstellen, und das unter eben jenem wahnsinnskreativen Titel. Erst mal wurden Informationen eingeholt, ein Ost-Museologe herangezogen: „In Nordhausen waren das die ersten Fahrzeuge für den Tierarzt und die Gemeindeschwester. Mit der Behinderten-Version ,Duo‘ konnten die Besitzer früher sogar auf Gehwegen parken...“ Mit der Wende etablierte sich in der Oderberger Straße ein Schwalben-Ersatzteilbetrieb vom Feinsten. Während sich die MZ mit japanischen Stromlinienplastikteilen vergeblich aufmotzte, verkaufte sich die Schwalbe im Westen so, wie sie war, pestilenzartig, und zwar in derselben Szene wie 30 Jahre zuvor der Vespa-Roller: Hamburger Jungschnösel lassen sich gar den Lenker ihrer Schwalbe vergolden, in Emsen bei Hamburg finden „Duo-Rennen“ statt, auch der rasende Tip-TV-Reporter fährt ein Duo-Dreirad. Und die Hamburg-Magazine Spiegel und Oxmox bringen Insiderberichte aus der „schrillen“ Fanclub- Szene, unter den Titeln: „Schwalbenfieber“ und „Kultobjekt“. Da kommen Regionales und Zeitgeistiges doch aufs schönste für einen neuen Ost-Verlag zusammen! Nur leider, leider: für eine auch dem Zufall Rechnung tragende Recherche benötigte ich mindestens drei Monate, sprich: 6.000 DM Minimum. Und da winkte er ab: „Der neue Verlag hat nur wenig Geld, zu wenig: 2.000 DM!“ Na dann, schade! Ja, schade! Macht nichts! Kurz darauf veröffentlichte Christoph Links auch noch seine kulturkritischen Verlagszahlen und erklärte, warum er jetzt mit Millionenumsätzen zu den „großen Verlagen“ zähle, obwohl er nur 10.000 DM Gewinn erwirtschafte. So ein mit Glasnost groß gewordener Verleger macht eben jetzt weiter einen auf Glasnost, dachte ich noch, da unkte auch schon der erste Unternehmensberater in meiner Hörweite: „Wem will der eigentlich was vormachen, 10.000 DM? Das andere hat er anscheinend gut weggesteckt.“ Ein zweiter unisono: „Nanana!“ Und ein dritter bereits bitterböse: „So ein Quatsch!“ Noch schlimmer trieb es Dorothee Wenner: „Bist du bescheuert, so ein Idiotenbuch.“ Mach' ich doch gar nicht! „Und dann noch dieser grauenhafte Titel!“ Is' ja schon gut. Wußtest du eigentlich, daß es für die Schwalben extra eine Sonderklausel im Einigungsvertrag gibt, weil sie schneller sind, als es eigentlich in der 50-Kubikzentimeter-Klasse erlaubt ist? Das wußte sie natürlich nicht! Aber als mich dann auch noch Eliza Klapheck auf dem Rücksitz ihrer Schwalbe nach Hause fuhr, fiel es mir wie Schuppen von meinem – unbehelmten – Kopf ein: Jetzt korrumpieren uns schon die Ostler! Das ist die Höhe! Andererseits ... und außerdem hatte ich ja auch schon einen Vertrag mit dem Basisdruck-Verlag, seit 1993 bereits, für dessen Erfüllung ich zwar vorab 5.000 DM verlangt, aber dann doch nur 2.000 bekommen hatte? Arbeitstitel: „Berliner Ökonomie“. Helmut Höge