Global denken, national abwarten

Vor dem UNO-Klima-Gipfel: Geringe Erwartungen an die Regierungen / Ausstellungen, Vorträge und eine Performance für die Bevölkerung / Auch Jugendliche und Bürgermeister gipfeln  ■ Von Christian Arns

In einer Woche wird im Internationalen Congress Centrum (ICC) der Klimagipfel der Vereinten Nationen eröffnet. Die Erwartungen an die erste Folgekonferenz von Rio sind nur noch gering, seit sämtliche Versuche gescheitert sind, Beschlußvorlagen zu erarbeiten, aus denen bis zum Ende völkerrechtlich verbindliche Verträge werden könnten. So bezeichnen die Gipfel-Befürworter die Sensibilisierung der Bevölkerung inzwischen als zentrales Ziel.

Die Aufmerksamkeit der Berliner und des Welt-Fernsehpublikums wird am Sonntag der Hochseilartist Alfredo Traber auf sich ziehen, der ab halb acht abends auf einem Drahtseil in 50 Meter Höhe vom Fernsehturm zum Berliner Dom balancieren wird. „Klimabalance“ heißt dieser spektakuläre Auftakt, mit dem „die Gratwanderung der Menschheit zwischen Natur und technischer Entwicklung“ symbolisiert werden soll, wie die Senatsumweltverwaltung als Veranstalter erklärt. Sinnbildlich für die nebulösen Ziele des UNO- Gipfels kann verstanden werden, daß der Neptunbrunnen zur Performance von Rauchschwaden umhüllt sein wird.

Zu sehen gibt es ohnehin viel im Umfeld des Gipfels, da sowohl der Berliner Senat als auch die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zahlreiche Ausstellungen veranstalten. Bereits heute eröffnet der Berliner Aktionskünstler Ben Wargin im Lindentunnel in Mitte den zweiten Teil von „Die Wüste ist in uns“: Anhand verfremdeter Alltagsgegenstände stellt er dar, wie sich die Gesellschaft zu Tode konsumiert. Bereits seit einigen Monaten ist vor der Humboldt- Universität Wargins alter und bunt bemalter Lastenkahn „Gräbendorf“ zu sehen, der Teil dieser Ausstellung ist. Zentraler Rahmenprogrammpunkt ist laut Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) die Wanderausstellung „Solares und klimagerechtes Bauen“, die zunächst ab Freitag, 24. März, in der Akademie der Künste in Tiergarten zu sehen ist. Auch eine Fotoausstellung zum Thema Energiesparen ist im Auftrag der Umweltverwaltung unterwegs: Zur Zeit ist sie in der Amerika Gedenkbibliothek zu sehen, nächste Station ist ab dem 3. April die Stadtbibliothek Prenzlauer Berg. Die Ausstellung „Erdansicht – Global Change“, die bislang in der Bonner Bundeskunsthalle über globale Klima- und Umweltthemen informierte, ist ab Donnerstag, 30. März, bis Ende Mai im Botanischen Garten zu sehen.

Über 100.000 Radler erwarten die NGOs zu ihrer Sternfahrt am Sonntag, 2. April: Es soll die größte Fahrrad-Demonstration werden, die es weltweit je gab. Für den 6. April ist zudem eine Menschenkette um das ICC geplant. Die Performance WALD gehört zu den originellsten Aktionen der NGOs: Am Samstag abend treffen sich im „Huxley's Neue Welt“ rund 800 Jugendliche und Künstler, um sich Arme und Beine zu bemalen und so „mit Farben Lebensräume zu kreieren“, um Musik zu machen, Stelzen zu laufen oder mit eigenen Ideen „Wald und Zivilisation als zwei entgegengesetzte Welten zu erfahren“, so Organisatorin Irmela Bittencourt. Die Performance ist Teil des Jugend-Künstler-Klimagipfels, der schon vor drei Tagen begonnen hat und von zahlreichen internationalen Jugendorganisationen getragen wird.

Zu ihrem Gipfel treffen sich neben den Regierungen, den Künstlern und Jugendlichen auch die Bürgermeister von über hundert Städten, unter anderem aus Rom, Quito, Bangkok, Toronto, Mexico City, Teheran und Kapstadt. Beim 2. Welt-Bürgermeister-Gipfel, der von 27. bis 29. März im Schöneberger Rathaus stattfindet, „werden dadurch eine viertel Milliarde Menschen repräsentiert sein“, hebt Peter Heller, Vorsitzender des Exekutivkomitees des Internationalen Rats für Kommunale Umweltinitiativen (ICLEI), die Bedeutung hervor: „Diese Politiker haben einen erheblichen Einfluß, ob die Klimakatastrophe noch abgewendet wird oder nicht.“

Der Bürgermeister-Gipfel ist Teil der Kommunalen Klimaschutz-Konferenz, zu der neben dem Berliner Senat und ICLEI auch das Klima-Bündnis einlädt. In ihm sind 373 europäische Gemeinden eine Partnerschaft mit den Völkern Amazoniens eingegangen. Ehrgeizigstes Ziel des Klima-Bündnis ist die Halbierung des Kohlendioxidausstoßes bis zum Jahr 2010. Zu schaffen sei das aber nur durch internationale Rahmenbedingungen, etwa eine CO2- Steuer, so Erich Haider vom Bündnis-Vorstand. Geplant sei daher erheblicher Druck der Kommunen auf die Regierungsvertreter im ICC: „Es geht nicht, daß immer global gedacht, lokal gehandelt und lokal abgewartet wird.“