Wer stoppt die 45?

Michael Jordan spielte nach 18 Monaten Baseball-Pause wieder Basketball für die Chicago Bulls  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Kaum hatte Michael Jordan sein „Ich bin zurück“ in die Welt posaunt, schossen die Aktienkurse der mit dem bekanntesten Sportler des Erdkreises verbundenen Firmen blitzschnell in die Höhe. Wenig später flimmerten die ersten Werbespots mit der frohen Botschaft über die Mattscheiben. Und wieder ein wenig später hetzte Michael Jordan in Indiana bereits über ein Basketballfeld der NBA. Eine Entwicklung, die noch vor zwei Wochen niemand für möglich gehalten hatte.

Schließlich war das legendäre Trikot mit der Nummer 23 Ende letzten Jahres unter dem Dach des United Center, der neuen Halle der Chicago Bulls, zur ewigen Ruhe gebettet worden, und noch Ende Februar, beteuert John Salley (Miami Heat), habe ihm Jordan versichert, daß er „nie und nimmer“ zum Basketball zurückkehren werde. Der erneute Abbruch der Verhandlungen im Baseball- Arbeitskampf, der die Hoffnungen Jordans, in der Major League spielen zu können, auf den Nullpunkt sinken ließ, führte jedoch zu plötzlicher Sinnesänderung. Otis Thorpe von den Portland Trail Blazers hingegen vermutet noch andere Gründe für das unverhoffte Comeback: „Er muß eine Wette mit Barkley laufen haben.“

So oder so, Jordan ist wieder da, und die NBA frohlockt. Alle Spiele, bei denen seine Chicago Bulls noch antreten, waren schlagartig ausverkauft, das Interesse an der NBA ist so groß wie lange nicht mehr. Besonders glücklich sind natürlich die Bulls, nicht nur wegen der unverhofften sportlichen Perspektiven, sondern auch wegen des ökonomischen Aufschwungs. Die Nummer 23 bleibt hübsch unterm Dach, Jordan spielt mit der 45, was enorme Verkäufe des entsprechenden Jerseys verspricht. Nicht lange, dann wird Chicago die Charlotte Hornets von der Spitze der Merchandising-Rangliste verdrängt haben.

Sportlich gesehen ist das Team von Phil Jackson über Nacht vom mediokren Mitläufer zum Titelfavoriten avanciert. Auch wenn der erste Auftritt der Nummer 45 beim 96:103 gegen die Indiana Pacers keineswegs glanzvoll war, zweifelt niemand daran, daß der 32jährige bald wieder seine alte Klasse erreichen wird. Mindestens. Denn nicht wenige meinen, daß Jordan aufgrund der zu Saisonbeginn eingeführten Regeländerungen, Verkürzung der Dreipunktedistanz und Verbot des Handcheck, besser denn je sein wird. Der zum Korb ziehende Gegner darf jetzt nicht mehr durch den Griff an die Hüfte gestört werden. Ein gefundenes Fressen für einen so dynamischen Spieler wie Jordan. „Es war schwer genug, Michael zu bewachen, wenn du ihn schubsen und wenigstens ein bißchen festhalten durftest“, sagt Clyde Drexler, „nun habe ich keine Ahnung, was man tun kann, um ihn zu stoppen.“ Und Joe Dumars von den Detroit Pistons antwortete einmal auf die damals hypothetische Frage, wie es wäre, wenn Jordan unter den neuen Regeln spielen würde: „Er würde jeden Wurf, den er will, zu jeder Zeit bekommen, und bei jeder Aktion gefoult werden.“

Gegen Indiana bekam er tatsächlich eine Menge Würfe, 28 an der Zahl, doch nur sieben fanden den Weg in den Korb. Mit Verlängerung spielte er 43 Minuten, schaffte 19 Punkte, 6 Rebounds und 6 Assists. Eine durchaus gehobene NBA-Bilanz, aber eines Jordan keineswegs würdig. „Ich war eine lange Zeit sehr weit weg von diesem Spiel“, entschuldigte er sich, „so kam es, daß viele Würfe zu kurz waren und die Lay-ups zu lang. Aber das ist nur ein Frage der Zeit.“ Er freue sich auf die Play- offs, sagt er, vollkommen sicher, daß deren Erreichen für Chicago keine Frage mehr ist. Und Pacers- Coach Larry Brown ist nicht der einzige, der glaubt, daß Jordan das völlig umformierte Bulls-Team schon diese Saison zum Titel führen kann: „Sie werden gewinnen“.

In der nächsten Spielzeit will der reuige Rückkehrer dann höchstens ein Drittel der Partien mitmachen, da ihn die reguläre Saison langweile. Der glückliche NBA-Comissioner David Stern akzeptiert auch diese Regelung: „Lieber ein Drittel Jordan als kein Jordan“. Thank you, Baseball!