■ Das Portrait
: Peter Brook

„Ich habe versucht, die Welt als Büchsenöffner zu verwenden“, sagt Peter Brook, der heute vor siebzig Jahren in London das Licht jener Welt erblickte. Vor allem die englische Hauptstadt muß eine ziemlich triste Konserve gewesen sein, in der er bereits als Achtzehnjähriger sein Regiedebüt mit Marlowes „Dr. Faustus“ gab.

Schon in den 50er und 60er Jahren machte Brook mit Shakespeare-Inszenierungen Furore, war Kodirektor der Royal Shakespeare Company. Er verfilmte seine Inszenierung von „Marat/ Sade“ (nach Peter Weiss), wobei die Kameras um die eigene Achse wirbelten und eine höchst subjektive Darstellung der Welt als irres Revolutionstheater erreichten, oder setzte mit Belmondo und Jeanne Moreau Marguerite Duras' Erzählung „Moderato Cantabile“ um (warum werden diese wunderbaren Filme fast nie gezeigt?).

1970 zog Brook sich zurück und ging nach Paris, wo er mit Micheline Rozan das „Centre International de Recherches ThéÛtrales“ gründete, das bis zum heutigen Tag in den an eine Ruine erinnernden „Bouffes du Nord“ residiert. Brook betreibt Theateranthropologie: ein exklusives und von der Öffentlichkeit abgeschirmtes Arbeiten, das monatelange Recherchen in Indien (für seine neunstündige Fassung des „Mahabharata“-Epos) oder Afrika vorsieht. „Unter welchen Bedingungen kann das, was ein Theatererlebnis ausmacht, von einer Schauspielergruppe hervorgebracht und ohne die ebenso hilfreichen wie hinderlichen gemeinsamen kulturellen Symbole und Zeichen von den Zuschauern geteilt werden?“ fragt Brook. Er zielt auf die Universalität von Erfahrungen. Darum sind seine Schauspieler unterschiedlichster Herkunft, darum setzt er sie immer wieder der Erfahrung aus, vor einem völlig fremden Publikum, irgendwo im Freien, auf der Straße in Afrika zu spielen.

Der Subjektivist Foto: David Baltzer/Sequenz

Brooks Theater arbeitet ausgehend vom „leeren Raum“, wie der Titel seines berühmtesten Buches lautet. „Entfernen, was nicht notwendig ist, und verstärken, was übrigbleibt“, beschreibt er in „Das Offene Geheimnis“ (Fischer Verlag) seine Destillationstechnik. Seiner „Suche nach den einfachen Formen“ haftet etwas Rührend-Genialisches an. Er ist, wie der Theaterwissenschaftler Georges Banu schreibt, mehr ein Mann der Kontinuität als des Bruchs, der Ganzheit als des Fragments. Die einen schwelgen in dieser Einfachheit, die anderen haben sich schlicht mehr versprochen. Sabine Seifert