■ Anschläge auf türkische Einrichtungen: Solidarität mit den Betroffenen
Die türkische Immigration in Deutschland ist ein Spiegel der türkischen Verhältnisse. Alles, was sich in der Türkei abspielt, alle Spaltungen, Gewaltakte, ethnische, religiöse oder nationalistische Strömungen werden auch in Zukunft ihren Gegenpart in Deutschland erzeugen. Das ist unausweichlich und stellt die deutsche Gesellschaft vor dringliche Aufgaben: Zuallererst Solidarität zu üben mit den Betroffenen der Anschläge – Gewalt abzulehnen, woher sie auch kommen mag. Der Krieg zwischen der PKK und der türkischen Armee kann nicht auf Kosten des kleinen Reisebürobesitzers um die Ecke ausgetragen werden. Die Brandstifter sind keine Opfer, die überreagieren. Daß die Täter mit ihren Anschlägen sich und ihrer Sache selbst schaden, muß ihnen ins Ohr geflüstert werden.
Politiker sollten sich hüten, allgemein von „Kurden“ oder „gewalttätigen Asylanten“ zu sprechen, die es (endlich!) abzuschieben gilt. Allem Anschein nach gehen die Anschläge nicht auf ein einziges Konto, nämlich das der PKK – und auch innerhalb der Kurdischen Arbeiterpartei scheint es unkoordinierte Stellen zu geben. Jede schon längst vom Leben überholte türkische Linksfraktion scheint im Moment bei der Gewaltwelle mitzumischen. Anschläge auf sogenannte „Türkisch-Deutsche Freundschaftsvereine“, die nichts anderes als Nester der Grauen Wölfe sind, sollen diese zu Gegenanschlägen provozieren.
Die türkischen und kurdischen Durchschnittsbürger sind völlig verunsichert und brauchen jetzt den deutschen Beistand mehr denn je. Solange die Politiker die Umstände für ihre eigenen „Ausländer und Asylanten raus“-Forderungen instrumentalisieren, wird sich der Graben zwischen ihnen und den Türken und Kurden in diesem Land noch weiter vergrößern. Auch Jäger können das Wild nicht beliebig lange in die Enge treiben, irgendwann schlägt das verwundete Tier zurück.
Und die SPD sowie die Grünen, die die Demokratiedefizite und die Menschenrechtssituation in der Türkei zu Recht anprangern, müssen sich einmal fragen, warum sie sich angesichts der Gewaltwelle in Deutschland in Schweigen hüllen. Wenn die Demokraten in diesem Land die Türken ihrem Schicksal überlassen, sollten sie sich in Zukunft nicht über zunehmenden Nationalismus und Chauvinismus unter den Türken wundern. Einem türkischen Reisebürobesitzer können sie jedenfalls nicht klarmachen, warum er die Fehler der türkischen oder deutschen Politik ausbaden soll. Dilek Zaptcioglu
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