Auch zu Newroz neue Anschläge

■ Brandsätze gegen türkische Einrichtungen in Berlin, Köln und Unterfranken / Kurdische Gemeinde beschuldigt türkischen Geheimdienst / Grüner Cem Özdemir gegen flächendeckende Polizeipräsenz

Berlin/Bonn (taz/AP) – Die Anschlagserie auf türkische Einrichtungen ist auch zum gestrigen kurdischen Neujahrsfest Newroz nicht abgerissen. In Berlin flogen in der Nacht zum Dienstag Brandsätze in das Büro der Zeitung Hürriyet und in ein Reisebüro. In Köln und Gelsenkirchen waren Banken, im unterfränkischen Erlenbach ein türkischer Kulturverein Ziel der Anschläge. Während die Täter in den Hürriyet-Räumen zwei Fahnen der kurdischen Arbeiterpartei PKK zurückließen, stieß die Polizei am Tatort in Erlenbach am Main auf eine Fahne mit der Aufschrift „DHKC“, einer verbotenen Gruppierung von Türken. In Gelsenkirchen hinterließen die Täter eine Flagge der ebenfalls verbotenen türkischen Organisation „Devrimci Sol“.

Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Mehmet Tanriverdi, hat dem türkischen Geheimdienst Beteiligung an den Anschlägen vorgeworfen. Als Indiz nannte er, daß der türkische Botschafter die Anschläge in Interviews schon vor Wochen vorausgesagt habe. Die Anschläge seien so unterschiedlich, daß sie im Gegensatz zu den Autobahnblockaden vom vergangenen Jahr keinesfalls zentral organisiert sein könnten. Auch Geschäftsinhaber hätten ein Interesse daran, Anschläge vorzutäuschen, um Versicherungsgelder zu kassieren. Tanriverdi wandte sich gegen eine Kriminalisierung der Kurden und ihrer demokratischen Exilorganisationen durch einfache Schuldzuweisungen in den Medien. An die Bundesregierung appellierte er, einen Abschiebestopp für Kurden zu erlassen und Waffenlieferungen an die Türkei einzustellen.

Auch Politiker von SPD und Grünen warnten, die Anschläge voreilig der PKK zuzuordnen. Der thüringische Innenminister Dewes kritisierte entsprechende Äußerungen von Innenminister Kanther und Außenamtschef Kinkel. Die Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/ Grüne, Amke Dietert- Scheuer, erklärte, als Täter kämen neben der PKK auch deutsche Rechtsradikale in Frage. Der Hamburger Verfassungsschutzchef Ernst Uhrlau nannte solche Vermutungen spekulativ. Nach seinen Angaben hat sich die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste von Bund und Ländern „durchaus als wirkungsvoll erwiesen, auch bei der Verhinderung von Aktivitäten gegen türkische Einrichtungen“. Der Verfassungsschutz verfüge über Kräfte, die im türkisch-kurdischen Bereich die Sprache und Gewohnheiten kennen und den Behörden Informationen aus den betreffenden Organisationen beschaffen könnten.

Der türkische Botschafter in Bonn, Onur Öymen, bekräftigte die Forderung nach einem besseren Schutz seiner Landsleute: „Die deutschen Türken zahlen Steuern. Sie haben ein Recht auf Schutz vor Terror.“ Dagegen erklärte der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Cem Özdemir, ein intensiverer Polizeischutz für türkische Einrichtungen in Deutschland sei weder machbar noch wünschenswert: „Wir wollen ja unser Zusammenleben nicht künftig über die Polizei organisieren.“

Die Bonner Polizei nahm noch am Montag zwei Männer unter dem Verdacht fest, in der Nacht zuvor einen Molotowcocktail gegen das Haus der Bonner Moscheengemeinschaft geworfen zu haben. Beide sind den Angaben zufolge Türken. mon