Gewollt, gepriesen - aber ungeliebt

■ Berliner Schülerzeitungen zwischen Finanznot und Direktorenwillkür / Verein Junge Presse will die Arbeit von Schülermedien gesetzlich absichern lassen / Unterstützung vom Abgeordnetenhaus?

Wenn nichts mehr hilft – sie tun es. Sie rechnen mit dem „ungerechten Mathelehrer“ ab, sie sagen, daß der jüngste Schulausflug „voll öde“ war, sie setzen sich mit „Nazisprüchen auf dem Scheißhaus“ auseinander: Schülerzeitungen.

Wie viele es in Berlin gibt, haben weder die Jugend- noch die Schulsenatsverwaltung erfaßt. „Wir denken, daß zumindest an allen Gymnasien der Stadt inzwischen eine Zeitung existiert“, so Peer Heinlein, Aktivist beim mittlerweile 250 Mitglieder zählenden Verein Junge Presse Berlin (JPB). „Im Ostteil der Stadt brauchte es eine Weile, bis sich der Gedanke der freien Jugendpresse durchgesetzt hat.“ Nun sei es auch hier so, daß spätestens mit der zehnten, elften Klasse die Mitarbeit an einer Schulpostille voll im Trend liege.

Sieben Newcomer-Blätter wurden dieser Tage von JPB mit einer kleinen finanziellen Starthilfe bedacht. „300 Mark für die erste Ausgabe, ein Vorschuß für den Druck, solange noch keine Anzeigenkunden da sind“, erklärt Peer Heinlein. Die Gelder hat der Verein bei bei der Senatsschulverwaltung aus dem Topf „Jugend mit Zukunft“ lockergemacht.

Über vierzig Bewerber hatten sich gemeldet. „Wir haben uns für Zeitungen entschieden, von denen wir aufgrund ihrer Konzepte glauben, daß sie länger als nur zwei Ausgaben existieren.“ Vielen BlattmacherInnen gehe nämlich, so Peer Heinlein, in der Prüfungszeit die Puste aus. Nur jene, die sich rechtzeitig Nachwuchs heranzögen, hätten gute Überlebenschancen. Vorausgesetzt, die Finanzierung über das Anzeigengeschäft funktioniere. „In Hellersdorf oder Marzahn haben die Einzelhändler ja selbst zu tun, um nicht pleite zu gehen. So gesehen hat es eine Zeitung in Charlottenburg natürlich leichter.“

Kaum Aussichten, die Arbeit eines Jahres fortzuführen, haben dagegen Schüler aus sechs Bezirken und von fünfzehn Schulen, die bislang die Räume und die Technik beim Pankower Verein „Helle Panke“ nutzten. Die vom Senat teilfinanzierten Stellen für zwei Mitarbeiter des Schülerzeitungsprojektes wurden im März kurzerhand gestrichen.

Eine Entscheidung, die auch bei Stefanie Hennicke, Lehrerin in Lichtenberg am Sonderpädagogischen Förderzentrum für Kinder und Jugendliche mit Körperbehinderung, auf völliges Unverständnis stößt. „Mit einem riesigen Kraftaufwand haben wir Ende vergangenen Jahres auf das Drängen etlicher Schüler hin die erste Ausgabe unserer Zeitung mit dem schön-schrecklichen Namen SopäFözeBla produziert. Mehr schlecht als recht ging es. Die Druckerei machte uns kulante Preise, doch schon für die nächste Ausgabe sollten wir über 40 Mark fürs Layouten einer Seite bezahlen. Dann hörten wir von dem Helle-Panke- Angebot.“

Schnelle Computer, gute Drucker und einen Scanner – viel zu teuer, um es an jeder Schule anzuschaffen – konnten die Lichtenberger Schüler hier nutzen. Zwei 44seitige Exemplare und eine Sonderausgabe entstanden. Natürlich, so die Schüler in einem Brief an den Senat, könnten sie ihre Zeitung auch per Schreibmaschine erstellen und anschließend durch den Kopierer jagen. „Sollen wir uns auslachen lassen? Bisher haben wir mit Stolz unsere Zeitung zeigen können. Auch wir wollen mündige Bürger werden und lernen, unsere Meinung zu äußern. Müssen wir auf den Luxus einer eigenen Schülerzeitung verzichten?“

Gisela Kaiser, Sprecherin des Jugendsenats, ist angesichts solcher Tatsachen „nicht gerade glücklich“. Schuld seien wie so oft die Berliner Sparzwänge. Bei ihrem beschränkten Kontingent würden von „Jugend und Familie“ primär Projekte gefördert, die die Jugendarbeit beträfen. Schülerzeitungsprojekte müßten sich bei der Schulsenatsverwaltung um Unterstützung bemühen.

Für den Verein „Helle Panke“ vergebliche Liebesmüh. Ex-Projektleiter Axel Hempel vermutet, daß bereits die Zuordnung des Projektes in den Bereich „Breitensport“ beim Schulsenat auf die Abwicklung ziele. Das generelle Problem sei, so Peer Heinlein von JPB, daß Schülerzeitungen zwar überall für gut befunden und gepriesen werden, eine garantierte Unterstützung von Projekten im Schulgesetz jedoch nicht vorgesehen ist.

Damit sei beispielsweise auch der Willkür von Direktoren nichts entgegenzusetzen: „Wenn den Schülern kein Raum für die Zeitungsarbeit zur Verfügung gestellt wird, können sie nichts machen.“ Werden die Zeitungen auf dem Schulgelände verteilt, hat der Schulleiter das Recht, drei Tage vor Erscheinen die Texte einzusehen. Ist er der Meinung, Beiträge gefährdeten den erzieherischen Auftrag der Schule, kann er den Vertrieb verbieten. Dann muß die Schulkonferenz tagen und entscheiden, wie mit der Ausgabe weiter verfahren werden soll. „Wir raten Schülerzeitungsmachern immer, ihre Blätter vor dem Schulgelände zu vertreiben. Da gilt dann nur das Berliner Pressegesetz.“

Der Verein Junge Presse startet dieser Tage eine Fragebogenaktion, um die Berliner Schülerzeitungslandschaft einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Peer Heinlein: „Auf der Basis dieser Analyse wollen wir uns dann noch in diesem Jahr ans Abgeordnetenhaus wenden mit der Bitte, das Recht zur Erstellung von Schülermedien und eine entsprechende Unterstützung gesetzlich zu verankern.“ Kathi Seefeld