Wald-Symbol am Autotunnel

Schüler brannten Grundsteine für eine „Lebende Sonnenuhr“ / Drei Tonnen Ton verarbeitet / Azteke fordert Respekt vor Kindern und der Natur  ■ Von Christian Arns

Aufgeregt rennen die 30 Kinder über die Brachfläche auf dem Falkplatz. Schön ist er nicht. Der fast graslose Hügel ist mit Zäunen vom Bürgersteig getrennt, da die Autos seit der Öffnung des Gleimtunnels über das Kopfsteinpflaster der Wohnstraße rasen. In der Mitte der Anhöhe steckt ein Holzstab im Boden, an seine obere Spitze ist eine Feder gebunden. Vom Stab weg legen Jugendliche vier Bahnen aus völlig unterschiedlichen Ton-Gebilden: einen Schlüssel, ein Herz, eine Platte, auf der ein Haus und ein See modelliert sind. Auf einem Quader steht einfach „Sonnenuhr-Stein“.

Bisher ist noch nicht viel zu erkennen, „doch bis zur Sommersonnenwende am 21. Juni soll sie fertig sein“, verspricht Tilmann Römer von „Macarena“. Der Verein hat sich der Rettung des Regenwaldes verschrieben, und so soll die „Lebende Sonnenuhr“ zum Symbol gegen dessen Abholzung werden. Dazu wird eine spiralförmige Mauer, auf der Pflanzen wachsen, nach dem Willen des kolumbianischen Architekten Jorge Medina die Verbindung von Kultur und Natur darstellen. Zwölf Meter Durchmesser werde die Uhr haben, so Medina gegenüber der taz, in diese würden die „Grundsteine“ der Jugendlichen eingearbeitet.

Entstanden sind die Ton-Schöpfungen in Schulen und Freizeiteinrichtungen. So waren die tropischen Wälder und ihre Bedeutung für das Klima das Thema im Geographie-Profilkurs der Jahrgangsstufe 11 im Treptower Philippe-Cousteau-Gymnasium. „Der ganze Kurs war begeistert, sich an der Aktion gegen die Abholzung zu beteiligen“, versichert die 17jährige Juliane Simon. „Die Anregung kam von unserer Lehrerin, aber dann haben wir alle in unserer Freizeit an den Steinen gearbeitet.“ Vorgaben, wie so ein Grundstein auszusehen habe, gab es nicht, erklärt die gleichaltrige Mitschülerin Katharina Brandt: „Das war völlig unserer Phantasie überlassen.“ Gerade weil ihr Gymnasium nach dem verstorbenen Meeresforscher benannt sei, dem Sohn von Jacques Cousteau, habe der Geographie-Kurs die Möglichkeit nutzen wollen, zum UNO-Klimagipfel auf die fortschreitende Umweltzerstörung hinzuweisen.

Insgesamt drei Tonnen Ton brachten „Macarena“ und „HAUS – Begegnungsstätte für Kinder“ inzwischen zu rund 20 Schulen und etwa 30 Freizeiteinrichtungen für Jugendliche. „Wenn wir dafür Geld hätten, könnten wir noch mal so viele Steine anfertigen lassen“, ist sich Beatrix Palm von HAUS sicher. Beinahe täglich kämen Briefe von weiteren Interessierten.

Zur Grundsteinlegung hatte „Macarena“ einen Azteken eingeladen, der sein Volk in Berlin beim alternativen Klimagipfel der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vertreten wird und der ab heute als Tänzer „für die Verehrung der Mutter Erde“ im Tränenpalast auftritt. Der Azteke ist Vorsitzender der Organisation „Yankuikanahuak“, deren Anliegen es unter anderem ist, die im Wiener Völkerkunde-Museum befindliche Federkrone des letzten Herrschers der Azteken in ihre Heimat zurückzuführen. Der Federschmuck ist den Stämmen des gesamten indianischen Erdteils heilig. Trotz einer Unmenge von spektakulären Aktionen und Sympathiebekundungen hat die österreichische Regierung bisher nicht eingewilligt.

„Wir brauchen Verständnis und gegenseitigen Respekt, auch gegenüber der Natur“, so die Botschaft des Azteken Xokonoschtletl an die Industriestaaten. Gegenüber der taz betonte „Tschoko“, daß diese Aussage nicht als naive Floskel mißdeutet werden dürfe: „Wir müssen uns nicht alle mögen, schon gar nicht lieben“, wehrt er ab, „wir müssen uns aber respektieren.“ Ohne diese Grundbedingung würden die für den Treibhauseffekt verantwortlichen Industriestaaten kaum bereit sein, gegen diesen anzukämpfen und damit vor allem die durch ihn bedrohten Entwicklungsländer zu retten.

Vor allem die farbenprächtige Kleidung des Azteken wurde auf dem Falkplatz bestaunt; gerade die jüngeren Steinbrenner beglotzten ihn ganz unverhohlen. Und als er kurz vor seinem Tanz zur feierlichen Grundsteinlegung betonte, daß gerade die Kinder Respekt verdienten, eroberte er endgültig die Kinderherzen.