: Angst vor der Mafia
■ Vietnamesen befürchten Schließung ihrer Wohnheime in Hohenschönhausen / Nur dort fühlen sie sich vor der Mafia sicher
In den vietnamesischen Wohnheimen in der Gehrenseestraße in Hohenschönhausen herrscht seit Anfang März Verunsicherung. Der Anlaß: In der Berliner Zeitung wurde nach der Ermordung eines Vietnamesen in einer Privatwohnung die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) mit der Forderung zitiert, die Ghetto-ähnlichen Heime aufzulösen.
„Wir wollen hier bleiben, weil uns der Kontakt zu unseren Landsleuten sehr wichtig ist“, meint eine Bewohnerin. Um sich gegen die befürchtete Schließung der Heime zu wehren, haben etwa 200 Bewohner eine Interessenvertretung gegründet und Barbara John zu einem Gespräch eingeladen. „Hier fühlen wir uns sicherer als in Privatwohnungen. Bei Polizeiübergriffen und bei Erpressungsversuchen durch die Mafia können wir hier immer jemanden zu Hilfe rufen“, nennt die Vietnamesin Van Thi Kim Dung einen der wichtigsten Gründe für ihren Wunsch zu bleiben. Da Barbara John sich gestern auf einer Dienstreise befand, war nicht zu erfahren, ob sie tatsächlich die komplette Auflösung der Heime fordert.
Ein weiteres Problem für die Vietnamesen der Gehrenseestraße ist das Vorhaben der Betreibergesellschaft Arwobau, Einlaßkontrollen in den Heimen einzuführen. Die Vietnamesen befürchten, daß lediglich die offiziell gemeldeten Bewohner eine Hauskarte zum Passieren bekommen und Besucher beim Einlaß ihren Personalausweis abgeben müssen. „Das käme einer stillen Schließung gleich“, so Van Thi Kim Dung. Viele der Bewohner haben keine Aufenthaltserlaubnis für Berlin, was von den Behörden bislang stillschweigend geduldet wurde. Nun haben die Vietnamesen Angst, daß nebenbei über den Weg der Einlaßkontrollen eine schärfere Vorgehensweise gegenüber nicht gemeldeten Personen durchgesetzt werden soll.
Das Problem der zahlreichen Illegalen ist auch dem Ausländerbeauftragten der Arwobau bewußt. „Wir wollen nicht rigoros alle nicht gemeldeten Personen rausschmeißen“, so Gerd Neubert. Man wolle sich darum bemühen, in Härtefällen den Aufenthalt in Berlin zu legalisieren, erklärt er. Dennoch müsse etwas gegen die Kriminalität unternommen werden, so Neubert weiter. Um „bewaffneten, maskierten Überfallkommandos“ den Zutritt zu den Heimen zu verwehren, seien Einlaßkontrollen unumgänglich. Wie sich das mit der Zusicherung, die Freiheit der Bewohner so wenig wie möglich einzuschränken, verbinden lassen soll, bleibt unklar. Ein konkretes Konzept hat Arwobau bislang noch nicht.
Nächste Woche sollen Gespräche mit den Betroffenvertretungen und der Ausländerbeauftragten stattfinden. Gedacht sei, so Neubert, an ein Modellprojekt, das zunächst in einem der neun Häuser erprobt werden soll. „Aber wenn die Bewohner unzufrieden damit sind, werden wir das nicht weiterverfolgen. Dann müssen wir uns etwas Neues überlegen.“ Gesa Schulz
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