■ Humboldt-Uni und Autonomie: Offenbarungseid
Daß es nicht darauf ankomme, die Welt zu interpretieren, sondern sie zu verändern – darauf hat schon Karl Marx hingewiesen, und er tut dies heute immer noch im Foyer der Humboldt-Universität. Daß die Rektorin dieser Universität, die ehemalige Grünen- Abgeordnete Marlis Dürkop, von diesem Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis nicht mehr viel zu halten scheint, hat sie mit dem Raumverbot für den zu Ostern geplanten Autonomie-Kongreß unter Beweis gestellt.
Die politische Debatte autonomer und linksradikaler Gruppen wird nicht als Chance begriffen, die Nach-Wende-Rolle der Humboldt-Universität als Ort eines staatsunabhängigen Diskurses erneut unter Beweis zu stellen, sondern in erster Linie als Gefahr. „Nur wenn man sich inneruniversitär nicht streitet“, meint der Leiter des HU-Präsidialamtes, habe man eine Chance, aus den gegenwärtigen Haushaltsdebatten ungeschoren, das heißt ohne Kürzungen hervorzugehen. Das ist ein Akt vorauseilenden Gehorsams, ein Offenbarungseid gegenüber dem, was einmal als Autonomie der Hochschule bezeichnet wurde.
Daß Begriffe wie Unabhängigkeit, Freiraum, Kritik und selbstbestimmtes Handeln besser nicht unter dem Siegel der Humboldt- Uni gedruckt werden, weil ansonsten die Stelle des Druckers in Gefahr ist, das hat die Präsidentin jedenfalls eindrücklich bewiesen. Wer die Relevanz eines gesellschaftlichen Diskurses innerhalb der Uni von vornherein auf Pfingstfestival und Drittmittelforschung eingrenzt, sollte dann freilich auch so ehrlich sein, die „universitäre Freiheit“ als eine zu benennen, die sie ist: eine von des schnöden Mammons Gnaden. Nur dürfte sie dann nicht mehr nach Humboldt heißen, und die Tafel mit dem Marx-Zitat müßte dorthin, wo sich die Teilnehmer des Kongresses die Räume für ihre Debatte nehmen. Ohne Erlaubnis und autonom. Uwe Rada
Siehe Bericht Seite 4
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