■ Mit industriellen Leckerbissen auf du und du
: Wurstpellen-Imperium

Dublin (taz) – Die Zeiten, in denen der Fleischer an der Ecke die Wurst in Schweins- oder Schafsdärme gepreßt hat, sind bald vorbei. Zwar werden weltweit noch 40 Prozent der Würste auf diese Art hergestellt, doch der Anteil sinkt rapide. Der Trend geht zur Globalpelle: Bei den hautlosen Würsten besteht sie aus Kunststoff, der vor dem Verzehr entfernt wird, bei den anderen aus dem eßbaren „Collagen“, der inneren Schicht von Tierhäuten. Normale Därme halten nämlich dem Druck der modernen Hochgeschwindigkeits-Wurstpressen nicht stand und platzen.

Am frühesten hat Devro International den Trend erkannt: Anfang der Woche kaufte das britische Unternehmen den US- Pellenriesen Teepak und wurde damit zum größten Wursthauthersteller der Welt; Jahresumsatz: umgerechnet eine Dreiviertel Milliarde Mark. Insgesamt produziert der Pellenkonzern rund drei Milliarden Meter Wursthaut im Jahr. Davon enfallen 45 Prozent auf eßbare Pellen, die bei der deutschen Wurst, der französischen Saucisse und dem englischen „Banger“ – er erinnert im Rohzustand an ein mit Sägespänen gefülltes Kondom – vorherrschen. Genauso groß ist der Anteil der Plastikhäute, die vor allem für US-Hot-Dogs und die amerikanische Pizza-Plockwurst „Pepperoni“ verwendet werden. Die restlichen zehn Prozent sind Spezialverpackungen für Fleischprodukte.

Da Teepak die Aktienmehrheit an der tschechischen Pellenfabrik Cutisin besitzt, verfügt das neue Wursthautimperium bereits über einen großen Zipfel des osteuropäischen Marktes. Devro muß für Teepak 45 Millionen Dollar hinblättern und außerdem neue Aktien sowie Vorzugsaktien drauflegen. Der Guardian fragte vorgestern besorgt, ob das Unternehmen etwa auch die Pellen für „die delikateste aller Delikatessen, den Black Pudding“, herstellen werde. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Süßspeise, sondern um die englische Version der Blutwurst, die in Scheiben geschnitten und gebraten wird. Sie ist, ebenso wie der „Banger“, unverzichtbarer Teil des fettigen Frontalangriffs auf die Leber, den die EngländerInnen euphemistisch „Frühstück“ nennen. Ralf Sotscheck