Berliner Tagebuch
: Dänemark bezahlt

■ Berlin vor der Befreiung: 28. März 1945

Foto: J. Chaldej/Voller Ernst

Gestern abend wurde im Presseklub in Dahlem getanzt. Beileibe keine öffentliche Belustigung. Dennoch! In diesen Zeiten! Die Deutschen widmeten sich mindestens ebenso eifrig dem Tanz wie einige der ausländischen Gäste. Hochstehende deutsche Beamte, bekannte deutsche Redakteure mit ihren Damen drehten sich auf dem Parkett der Bibliothek. Ein Grammophon lieferte die Musik. Unter den Lieblingsplatten, die immer wieder herhalten mußten, befand sich auch der bekannte englische Mrs.-Miniver-Walzer. Und das im untergehenden Berlin!

Der kleine Mann aus dem Volk hat seit Jahr und Tag keine Gelegenheit und auch keine Erlaubnis zu irgendwelcher Zerstreuung gehabt. Himmler hat das Tanzen streng verboten. Aber in der Villa des Herrn von Ribbentrop, wo der Presseklub untergebracht ist, werden für Amüsement weder Mühen noch Kosten gescheut.

Während der Kriegsjahre haben sogenannte „große Abende“ im Presseklub nicht stattfinden können, ohne daß Dänemark dabei war – als Lieferant. Immer wurde der Tisch mit dänischen Delikatessen gedeckt. Ferner mit slowakischen Produkten. Für einen Dänen war es doch ein sehr komisches Gefühl, von Deutschen zu einem Festessen geladen zu werden, das aus dänischen Erzeugnissen bestand, die von der dänischen Nationalbank bezahlt worden waren – und dann noch Tak for Mad! – Danke! sagen zu müssen.

(Anm. d. Red.: Aufgrund eines Abkommens mußte die dänische Staatsbank sämtliche Lieferungen an die Besatzungsmacht vorfinanzieren. Die deutschen Schulden wuchsen bis zum Kriegsende auf umgerechnet 2 Milliarden Mark. Sie sind bis heute nicht bezahlt.)

Genauso war es während des Krieges in der „Nordischen Verbindungsstelle“. Hier mußten sich offizielle dänische Persönlichkeiten damit abfinden, Ehrengäste bei großen und feierlichen Empfängen zu sein, deren Rechnungen – was die kulinarischen Dinge anbetraf – von der dänischen Nationalbank beglichen wurden. Jacob Kronika

Aus: „Der Untergang Berlins“, Flensburg 1946. Jacob Kronika (1897–1982) war zwischen 1932 und 1945 Berlin-Korrespondent dänischer und schwedischer Zeitungen. Er war außerdem als Sprecher der dänischen Volksgruppe in Südschleswig von offizieller Seite anerkannt. Kronika bewegte sich daher ständig zwischen dem Vorwurf der Kollaboration und des Widerstands.

Recherche: Jürgen Karwelat