PDS weiter tabu

■ SPD: Reaktionen Ostberliner Kreisvorsitzender auf Papier zur PDS / Parteitagsbeschluß kam "zu früh"

Die zum Teil heftigen Angriffe der SPD-Spitzenpolitiker auf das umstrittene Thesenpapier des Kreuzberger Bürgermeisters Peter Strieder und des Bundestagsabgeordneten und Ex-Jugendsenators Thomas Krüger haben innerparteilich Unmut ausgelöst. „Ich hätte mir lieber keine Reaktionen gewünscht“, meinte gestern der Sozialstadtrat und SPD-Kreisvorsitzende von Prenzlauer Berg, Reinhard Kraetzer.

Sowohl die Bemerkungen der SPD-Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer („individuelle Profilierung“) als auch der Ausspruch von Fraktionschef Klaus Böger („parteischädigendes Verhalten“) zum Thesenpapier seien „weit übertrieben“.

Das letzte Woche veröffentlichte Papier der beiden SPD-Politiker – in dem unter anderem von einem forcierten Diskurs und einer normalen Zusammenarbeit mit der PDS die Rede ist – löst in vielen Ostberliner Kreisverbänden zwiespältige Reaktionen aus. Während Kraetzer lediglich in einem Punkt – der Forderung nach Eingliederung führender Ex-SED-Mitglieder – widerspricht, hält der Bildungsstadtrat und SPD-Kreisvorsitzende in Mitte, Dankward Brinksmeier, das Krüger/Strieder-Papier „inhaltlich für richtig“. Es spiegele „ohnehin nur wider, was innerparteilich seit Monaten diskutiert wird: nämlich unser Verhältnis zur PDS“. Daß Strieder und Krüger ihr Papier zunächst über die Medien lancierten, hält Brinksmeier ebenso für „wenig gut“ wie die Tatsache, daß Stahmer und Böger „über die Zeitungen darauf konterten“.

Ohnehin ist Brinksmeier nach wie vor der Ansicht, daß die SPD mit dem im Dezember auf dem Sonderparteitag gefaßten Abgrenzungsbeschluß gegenüber der PDS „zu früh“ gekommen sei. Es wäre seiner Meinung nach besser gewesen, wenn die SPD auf einem Parteitag nach den Abgeordnetenhauswahlen am 22. Oktober die Frage einer Tolerierung durch die oder Koalition mit der PDS beantwortet hätte. Der jetzt gültige Beschluß nähre den Verdacht, daß es einigen Spitzenkräften in der SPD darum gehe, die Fortführung der Großen Koalition über 1995 hinaus „abzusichern“, so Brinksmeier gegenüber der taz.

Keine Notwendigkeit zur Kurskorrektur sieht der Kreisvorsitzende von Hohenschönhausen, Jacek Gredka. Überlegungen über eine Duldung oder Tolerierung durch die PDS „bringen uns überhaupt nichts“. Sollten die Wähler sich am 22. Oktober nicht für einen Wechsel ohne Beteiligung der PDS aussprechen, würde der Ostberliner „am liebsten Neuwahlen ansetzen“. Severin Weiland