Artist am Himmel, erfolglos

So einfach ist die „Klimabalance“ wohl nicht zu halten: Der Drahtseilartist Traber stürzte bei der Auftaktveranstaltung der Klimakonferenz  ■ Aus Berlin Christian Arns

Der Klimagipfel der Vereinten Nationen hätte beinahe mit einem Debakel begonnen: Trotz eisigen Windes und strömenden Regens stieg der Artist Matthias Traber am Sonntag abend auf das 50 Meter hohe Drahtseil, um für eine 2,7 Millionen Mark teure Performance vom Fernsehturm 620 Meter zum Berliner Dom zu laufen. Der Berliner Senat fand es passend, den Artisten als Symbol für die „Gratwanderung der Menschheit zwischen Natur und technischer Entwicklung“ ohne Netz oder Sicherung 620 Meter weit balancieren zu lassen.

Doch Traber strauchelte, verlor erst die schwere Balancierstange, dann das Gleichgewicht. Er stürzte, konnte sich gerade noch mit den Armen am nassen Seil festhalten. Die „Klimasinfonie“ lief weiter, bunte Lichter wurden eingeschaltet, während sich Traber 50 Meter über ihnen bemühte, wieder auf sein Seil zu klettern. Kaum saß er oben, versuchten die Veranstalter dem Publikum den Sturz als Absicht zu verkaufen: „Die Regie hat Herrn Traber gebeten, den Balance-Akt abzubrechen“, tönte es über Lautsprecher. Bei der symbolischen „Klimabalance“ dürfe das Leben Trabers nicht gefährdet werden – als ob es nicht genau das Risiko war, mit dem die Veranstalter die Zuschauer auf den Alexanderplatz locken wollten.

Denn Regie führte bei dem Sturz Trabers allein der Sturm, der den prasselnden Regen durch die Stadt und den Artisten beinahe vom Seil fegte. Was von Menschen organisiert worden war, ging eher daneben: Mit fast einstündiger Verspätung begann der Drahtseilakt; von den 15.000 Zuschauern, die statt der erwarteten Viertelmillion tatsächlich gekommen waren, hatten viele den Platz wegen des naßkalten Wetters längst wieder verlassen. Erst nach dem Sturz erfuhr das Publikum, daß sich gar nicht der angekündigte Artist Alfredo Traber auf das Seil gewagt hatte, sondern wegen dessen Grippe sein Sohn.

So war also Matthias Traber im extra für die „Klimabalance“ entworfenen Joop-Kostüm im Solarmobil die wenigen Meter vom Neptunbrunnen zu den Stufen zum Fernsehturm gefahren. Dort sollte er „publikumswirksam hinter einer Nebelwand verschwinden“ und einer Weltkugel wieder entsteigen, hatte der vom Berliner Senat beauftragte Organisator Friedhelm Wachs angekündigt. Doch die kleinen Wölkchen waren bereits vom Winde verweht, ehe Traber an der Weltkugel ankam. Aus dieser kam er dann ohne Hilfe nicht mehr heraus, oben mußten ihn ein paar Helfer aus der Weltkugel befreien.

Danach sahen die Zuschauer minutenlang nur zwei grelle Lichtkegel, die an der rechten Seite des Turms herumirrten. Währenddessen wurde Traber an der linken Seite zu seinem Seil gehievt. Runter kam er dann alleine, konnte vor Kälte kaum noch laufen.

„Typische Berliner Übertreibung“ sei die Performance nicht, hatte vorher noch Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer der PR- Gesellschaft „Partner für Berlin“, erklärt; auch keineswegs „zuviel Schaueffekt für ein sehr ernstes Thema“. Und nachdem die übrigen spektakulären Veranstaltungen des Berliner Rahmenprogramms bereits abgesagt worden waren, wollte man auf den lebensgefährlichen Drahtseilakt keinesfalls verzichten. Boddien war stolz auf Traber: „Der Mann ist irrsinnig mutig.“