Flüchtlinge bombardiert

■ Russische Offensive in Tschetschenien / OSZE-Büro für Grosny

Serschen-Jurt/Moskau (AFP/ dpa) – Russische Kampfflugzeuge haben gestern in dem tschetschenischen Dorf Serschen-Jurt mehrere mit Flüchtlingen überfüllte Gebäude bombardiert. Augenzeugen zufolge wurden dabei mindestens zwei Menschen getötet und zahlreiche weitere schwer verletzt. Mehrere kleine Häuser, in denen die Flüchtlinge, unter ihnen viele Kinder, Zuflucht gesucht hatten, seien zerstört worden. Nach Darstellung des tschetschenischen Oberkommandos starben bei russischen Luftangriffen auf zivile Ziele gestern insgesamt mindestens 67 Menschen.

Das russische Oberkommando wies diese Angaben als falsch zurück. Es seien nur militärische Objekte bombardiert worden. „Die Effizienz der Luftwaffe wird durch das Frühlingswetter begüngstigt“, sagte ein Sprecher. „Die gute Sicht schließt Opfer unter der Zivilbevölkerung nahezu aus.“

Die russischen Truppen trieben die Offensive im Osten und Süden der abtrünnigen Region voran. Wie ihr Oberkommando mitteilte, wurde die Stadt Gudermes fast völlig abgeriegelt. Der zweite strategisch wichtige Ort ist Schali, ebenfalls östlich Grosnys.

Die in Wien ansässige Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) plant, Mitte April eine ständige Mission in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny einzurichten. Das sagte der ungarische Diplomat Istvan Gyarmarti, Leiter einer jüngst aus dem kaukasischen Kriegsgebiet zurückgekehrten OSZE-Mission, am Montag in Moskau. Gyarmati glaubt, daß Rußland die Kontrolle über Tschetschenien „in naher Zukunft nicht erlangen“ kann. Selbst wenn dies gelinge, werde der politische Dissens zwischen den beiden Konfliktparteien mit unverminderter Schärfe weiterbestehen. Nach der Rückkehr aus Tschetschenien hatten die OSZE-Beobachter den russischen Soldaten am Sonntag vorgeworfen, bei ihrem Vormarsch „in großem Umfang“ Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Die Militärs würden tschetschenische Frauen vergewaltigen, plündern und willkürliche Festnahmen vornehmen.