Mit Angela Merkel in einem Boot

■ Der erste Tag des Klimagipfels bringt den ersten Streit: Über ein Vetorecht der Ölstaaten

Berlin (taz/dpa) – Bundesumweltministerin Angela Merkel wünschte sich in ihrer Eröffnungsrede zum Klimagipfel eine „offene Zusammenarbeit“ der 118 Staaten. Doch die Zusammenarbeit könnte so offen und unverbindlich werden, daß es der Ministerin am Ende unangenehm ist. Zwar murrte niemand, als Angela Merkel sprach: „Wir sitzen alle in einem Boot“, doch die Verhandlungsteilnehmer konnten sich gestern nicht einmal auf eine Geschäftsordnung einigen. Und solange sie das nicht schaffen, können sie schon aus formaljuristischen Gründen keinen verbindlichen Beschluß zur CO2-Reduktion fassen.

Der Konflikt um die Geschäftsordnung dreht sich um die Frage, mit welcher Mehrheit die Konferenz ein Protokoll zur CO2-Reduktion akzeptiert. Im ursprünglichen Entwurf war eine Dreiviertelmehrheit vorgesehen. Doch bei den Vorbereitungsverhandlungen mauerten Ölstaaten wie Saudi-Arabien und Kuwait. Sie fordern, daß ein solches Protokoll, wie es die AOSIS-Inselstaaten entworfen haben, nur mit Konsens, also der Zustimmung aller Staaten, verabschiedet werden darf. Damit hätten die Ölstaaten, die mit dem Energieverbrauch ihr Geld verdienen, jederzeit die Möglichkeit, die Verhandlungen per Veto zu blockieren.

Weil auch eine Nahost-Reise des Umweltstaatssekretärs Walter Hirche vor zwei Wochen die Ölstaaten nicht von ihrer Blockadehaltung abbringen konnte, griff die Umweltministerin gestern zu einem diplomatischen Trick: Als Verhandlungsleiterin stellte Angela Merkel einfach fest, daß der Entwurf für eine Geschäftsordnung „nur angewandt, aber nicht angenommen“ wird. Und der entscheidende Paragraph 42, der die Mehrheitsverhältnisse regelt, bleibe erst mal ausgeklammert, sagte Merkel. Hinterher erklärte sie bei einer Pressekonferenz, das sei wie in einer Familie: „Auch da ist es schwierig, festzulegen, wie abgestimmt wird.“ Weitere Verhandlungen mit den Ölstaaten sollen nun „bis zum Wochenende“ zu einer Geschäftsordnung führen, versprach sie.

Die Strategie schien im ersten Moment zu funktionieren: Kein Delegierter widersprach ihr, und so ging die Umweltministerin davon aus, ihr Vorschlag sei Konsens und damit akzeptiert. Einige Minuten später, als die Konferenz schon beim nächsten Thema war, meldete sich etwas verspätet der Vertreter von Saudi-Arabien und forderte für die Ölstaaten dann schon wenigstens einen Sitz im Präsidium der Klimakonferenz. Doch Merkel blieb resolut – und überging dessen Einwände einfach mit Hinweis auf den vorher festgestellten Konsens. Diesmal regte sich kein Widerspruch mehr, und mit sehr viel ruhigerer Stimme sagte Angela Merkel, die erste Herausforderung sei damit geschafft.

Letztlich wurde der entscheidende Konflikt allerdings gestern nur aufgeschoben; ob die Konferenz sich tatsächlich in den nächsten Tagen auf eine Geschäftsordnung einigen kann, bezweifeln Beobachter wie der Jurist Hermann Ott vom Wuppertal Institut: „Es ist gefährlich, weil jetzt am Ende der ganzen Veranstaltung noch mal die Konferenz in Frage gestellt werden kann“, sagte Ott. Die Ölstaaten hätten weiterhin ein Druckmittel, mit dem sie die Konferenz blockieren können.

Wissenschaftler haben gestern anhand neuer Daten vor einer weiteren Klimaerwärmung gewarnt. Der Generalsekretär der Weltmeteorologieorganisation (WMO), Gordon Obasi, sagte, 1993 habe es auf den Philippinen 32 Wirbelstürme gegeben – fast doppelt so viele wie früher. Und niederländische Forscher prognostizieren regelmäßige „Jahrhundertfluten“ an Europas Flüssen, falls das Treibhaus weiter geheizt wird wie bisher. fex

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