„Jugendliche ohne Zukunft hier“

■ Interview mit der designierten PDS-Spitzenkandidatin, der DGB-Jugendreferentin Marina Stahmann, über die politischen Ziele der PDS

Gestern abend hat die PDS ihr Wahlprogramm für Bremen beschlossen und die KandidatInnen für die ersten Plätze der Bürgerschaftsliste aufgestellt. Schon in der vergangenen Woche war Marina Stahmann, Jugendbildungsreferentin beim DGB, als Kandidatin für Platz 1 der PDS-Liste vorgestellt worden. Wir fragten sie nach ihrem Programm.

taz: Was wären die ersten drei Dinge, die die PDS ändern würde, wenn sie könnte?

Marina Stahmann: Eine schwierige Frage. Die vorhandenen Gelder müßten unter dem Beschäftigungs-Apekt ausgegeben werden. Im jugendpolitischen Bereich muß das Sparen sofort eingestellt werden. Ich würde die Strukturen in dieser Stadt demokratisieren. Und ich würde grundsätzlich in der Verkehrspolitik etwas ändern. Das Auto kann nicht mehr Vorrang haben.

Die Innenstadt-Kaufleute sagen: Wenn die Kunden nicht mehr mit dem Auto in die Stadt kommen, gehen die Umsätze zurück und dann müssen Beschäftigte entlassen werden.

Das halte ich für Quatsch. In Fußgängerzonen gehen die Menschen sogar gern spazieren - und nicht nur, wenn sie was kaufen wollen. Ich würde „autofreie Innenstadt“ durchaus weiter fassen als nur Oberstraße-Sögestraße.

Bis wohin?

Der Wall und die Martinistraße muß dazugehören. Die Innenstadt muß weiträumig vom Autoverkehr freigehalten werden.

Verkehrspolitisches Thema Nummer zwei: Das Güterverkehrszentrum. Soll die Neuenlander Sraße ausgebaut werden?

Jetzt hat man dieses Güterverkehrszentrum und nun müssen Straßen gebaut werden. Wieso muß Bremerland seinen Joghurt nach Süddeutschland transportieren und wir bekommen dafür die Südmilch? Verkehrsvermeidung ist sinnvoller als hinterher Verkehrslenkung. Schienenverkehr sollte ausgebaut werden, Güter sollten mehr auf den Seeweg.

Es soll mehr Geld ausgeben werden für das soziale Netz. Wie soll mehr eingespart oder verdient werden?

Es geht nicht nur mit streichen und sparen, sondern auch mit Umstrukturierung. Bremen verfügt über einen unglaublichen Verwaltungsapparat. Mit einer vernünftigen Aufgabenkritik könnten die Strukturen im Sinne der Arbeitsfähigkeit verändert werden. Das sollte nicht zu Personalabbau führen - da produziert man nur neue Arbeitslose und das wäre Schwachsinn. Es könnten aber zusätzliche Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger angeboten werden.

Natürlich kann man aber auch die Schwerpunkte anders setzen. Daß in Bremen nicht alles machbar ist, ist klar. Aber Sozialhilfeerhöhungen müssen weitergegeben werden. Die Privatisierungen sind sinnlos. Wenn die Gewoba verkauft wird und Wohnungen aus der Sozialbildung herausfallen, dann spart das nicht. Das erhöht die Mieten und die Sozialämter müssen mehr Wohngelt bezahlen. Das ist eine falsche politische Weichenstellung.

Dasselbe gilt für die Jugendpolitik. Es kann doch nicht sein, daß Jugendliche erst dann gefördert werden, wenn sie kriminell, drogenabhängig oder gewalttätig geworden sind.

17 Milliarden Schulden, das ist die Kehrseite der Jugendpolitik. Ist das für die PDS ein Problem?

Selbstverständlich. Wir haben aber kein Programm, das in zwei Jahren auf Null zu bekommen. Die Jugend in Bremen schlägt sich damit nicht herum, sondern damit, daß sie sich jetzt in dieser Stadt nicht entfalten können. Das sind nicht nur die fehlenden Freizeitmöglichkeiten. Der Ausbildungsmarkt ist katastrophal: Viel zu viele werden nach der Berufsausbildung nicht mehr übernommen, und dann stehen sie ohne Berufserfahrung arbeitslos da. Dann können die zehnmal finden, daß Bremen eine lebenswerte Stadt für sie ist - sie haben hier keine Zukunft.

Die PDS würde eine rot-grüne Koalition tolerieren?

Das kommt auf die Sachfragen an. Niemals würden wir nur die Abstimmer machen, die grundsätzlich alles tolerieren.

Das ist in Sachsen-Anhalt anders...

Nein. Die Frage um den Ausbau des Verfassungsschutz zum Beispiel ...

Da hat die PDS zugestimmt.

Nachdem man sich auf eine Zahl geeinigt hatte, die deutlich unter dem lag, was die SPD sonst mit der CDU durchgesetzt hätte. Da hatten wir inhaltlich etwas erreicht.

Sparhaushalte werden nicht toleriert?

Das kommt auf die Schwerpunkte an. Es würde mit Sicherheit ein nein der PDS geben zu Kürzungen der Sozialhilfe und im Jugendbereich. Und zur weiteren Finanzierung von irgendwelchen Prestige-Objekten.

Die Innenstadt muß nicht mit Marmor überzogen werden.

Fragen: K.W.