Aus dem Kosmos in die Tiefgarage

■ Das Kino „Kosmos“ an der Karl-Marx-Allee wird zum Multiplex mit zehn Sälen und 3.000 Plätzen umgebaut / Neubauten werden in der Erde vergraben

Eine kleine muffige Kinokiste war das Kino „Kosmos“ an der Karl-Marx-Allee nie. Eher spielte es die Rolle des östlichen Pendants zum Westberliner „Royal“ oder „Gloria Palast“. Es ist ein Bau mit großem ovalem Kinosaal für über tausend Besucher, einer riesigen Leinwand und einem Foyer mit dem Charme sozialistischer Nierentischatmosphäre. Für die roten Riesen des Films hob sich dort bis 1989 der Vorhang. Seither rattern zumeist US-Schinken und Kinderstreifen à la Wolfstanz und Dschungelbuch durch die Projektoren, während die Kids dazu Eiscreme, Gummibärchen und Popcorn mampfen.

Das soll nun auch nicht mehr genügen. Techno-Movie total ist angesagt. Die UFA-Theater AG will im Mai beginnen, das „Kosmos“ zum 10-Säle-Multiplex-Kino zu erweitern. Die Pläne hierfür könnten dem Schreibtisch eines Tycoons entsprungen sein: In der Mitte das alte ovale Kino-Ei, wie ein Kranz sollen sich neun Filmsäle um den Altbau herumlegen, 3.000 Besucher kann das Filmtheater aufnehmen, riesige Leinwände und steil ansteigende Sitzreihen kommen hinzu. Selbst Hörgeschädigte sollen per Induktionsschleife wieder Kinospaß erleben können.

„Das neue Multiplex“, meint Tanja Güß, UFA-Theater AG- Sprecherin, „wird ein hochmoderner Filmpalast mit THX, DTS sowie DolbySR-Licht- und Tontechnik.“ (Was immer das auch heißen mag.) Auch Doppelsitze soll es geben, dazu Wandbespannung (Respekt, Respekt!), ein Café und im Sommer ein Biergarten (wie originell). Mit der Fertigstellung werde 1996 gerechnet, so die Sprecherin. Die Investitionssumme betrage rund 30 Millionen Mark.

Der jetzt erteilten Baugenehmigung war ein jahrelanges Gezänk wie aus einer schlechten Komödie vorausgegangen. Nach dem Fall der Mauer standen die Bewerber vor dem Haus Schlange. Wegen den Anforderungen des Denkmalschutzes sprang 1992 in letzter Minute ein Kinohai ab. 1993 kaufte die UFA-Theater AG das Gebäude von der Treuhandanstalt, zockte aber lange mit dem Bezirk Friedrichshain. Der wollte das denkmalgeschützte Haus „nicht von einer Neuplanung überformen“ lassen. Denn für den Landeskonservator ist das „Kosmos“ ein Beispiel der frühen sozialistischen Moderne, die sich abkehrte von der Architektursprache des benachbarten Zuckerbäckerstils. Das „Kosmos“ wurde 1956 von Josef Kaiser im Zeitalter der Sputnikeuphorie – der „Eroberung des Firmaments“ – entworfen und am 7. Oktober 1962 zum Jahrestag der Gründung der DDR eingeweiht.

Ob das neue „Kosmos-Multiplex“ eine „gelungene Verbindung aus modernen Elementen und dem Bestehenden“ werden wird, wie Tanja Güß glaubt, muß angesichts des Entwurfs doch etwas bezeifelt werden. Gut ist, daß das alte Kino mit seinem lichten gläsernen Foyer erhalten bleibt. In dem Vorbau sollen Räume für Kleinkunstaufführungen geschaffen werden. Die neun rückseitig geplanten, halb in die Erde versenkten Kinosäle erscheinen aber in der Grünanlage durch ihre unterschiedlichen Höhen wie angedockte Schachteln, die Angst haben, sich zu zeigen. Da wäre es vielleicht konsequenter gewesen, sie ganz einzubuddeln. Aber besser als Fernsehen sind die Multiplex-Tiefgaragen allemal. Rolf Lautenschläger