■ Linsen Soufflé: Die Unternehmenswelt der unnützen Dinge
Im kreuzbraven Münster machten sie vor kurzem eine Umfrage unter Kindern und Jugendlichen. Die Kinobesitzer wollten wissen, was den zahlungskräftigen Teenies denn besonders gefiele an ihren Filmtheatern und was sie gar nicht mögen würden. Selbst in diesem verschlafenen Städtchen, wo man nun wirklich für jede Abwechslung grenzenlose Dankbarkeit zeigt, machten die lieben Kleinen ihrer Wut Luft über die „doofe Reklame“, die sie da 20 bis 30 Minuten lang vor dem Film über sich ergehen lassen müssen. Die Werbung im Kino wird gehaßt und schon von Kindern als das erkannt, was sie ist: stupider Müll. Da können die Reklame-Fuzzis noch so viele Werbefilmpreise vergeben und sich selbst immer wieder auf die Schulter klopfen, sie sind im Grunde nichts anderes als Marktschreier. Auch die Behauptung, ohne Reklame würde eine Kinokarte ungefähr 137,50 Mark kosten, ist natürlich eine freche Lüge. Ohne Reklame müßten die Betreiber der Lichtspielhäuser ihre Profitgier etwas im Zaum halten. Im höflichen Frankreich ist es zum Beispiel üblich, daß in den Programmvorschauen immer zwei Anfangszeiten ausgedruckt werden: Einmal der Beginn der Vorführung (Reklame) und dann der genaue Start des Films. Bei uns undenkbar. Das Schlimmste an der Kinoreklame ist jedoch, daß sie funktioniert – besonders bei Kindern und Jugendlichen. So ist der Eisverkauf im Kino mehr als doppelt so hoch, wenn eine Eiswerbung läuft und danach das Licht wieder angeschaltet wird und der Eismann durch den Saal läuft. Auch die immer engere Zusammenarbeit zwischen Filmproduktionen und Firmen haben die Reklame-Fuzzis eingefädelt. Hollywood und die Unternehmenswelt der unnützen Dinge entdecken zunehmend, daß ihre Zweckehe für beide Seiten enorme finanzielle Vorteile bringt. Die Unternehmen unterstützen die Filmproduktion und dürfen dafür die Filmhelden für ihre Produktwerbung einsetzen. Hollywood spart damit auch noch die Werbekosten für seine Filme. So hat der „König der Löwen“ die Chefetage eines amerikanischen Buletten-Braters in Begeisterung versetzt. Nicht, daß die Manager sich die Zeit mit Disney-Filmen vertreiben, aber die Entscheidung, sich als Werbepartner in die Filmproduktion einzukaufen, war ein Hit. Acht Wochen lang wurden in den Hamburger-Buden zusammen mit den „Kindermenüs“ Plastikfigürchen aus „König der Löwen“ ausgegeben. Die Umsätze stiegen „auf fantastische Weise“, erklärte ein Firmensprecher. Was da inzwischen für Gelder fließen, sieht man an dem Zeichentrickgespenst „Casper“. Der Film startet am 26. Mai in den USA und ist schon komplett vermarktet. Pepsi, Pizza Hut und die Hotelkette Choice Hotels haben von der Produktionsfirma das Recht gekauft, mit dem Gespenst zu werben. Angeblich soll Pepsi 40 Millionen Dollar (!) bezahlt haben, um die Titelfigur auf seinen Cola-Büchsen abbilden zu dürfen.
Zum Schluß fassen wir uns an die eigene Nase: Auch auf diesen taz-Seiten finden Sie Reklame! Das ist allerdings absolut notwendig. Ohne diese Anzeigen würde diese Ausgabe der Zeitung nämlich ungefähr 137,50 Mark kosten. Karl Wegmann
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