Ein irischer Kindergeburtstag

■ Ein mächtiges Polizeiaufgebot sorgt beim Unentschieden zwischen Irland und Nordirland für den Austausch von Nettigkeiten

Dublin (taz) – „Ich fühle mich so sicher wie in Abrahams Schoß“, meinte Charlie Mooney vorgestern sarkastisch. Seit 1957 hat der 59jährige Gewerkschaftsfunktionär kein Heimspiel der irischen Fußball-Nationalmannschaft versäumt – auch nicht das berüchtigte „Freundschaftsspiel“ gegen England vor sechs Wochen. Gegen England gebe es keine Freundschaftsspiele, hatte Charlie damals prophezeit. „Die Polizei wußte es besser“, sagte er am Mittwoch, „die Sondereinsatzkommandos sind nach den Nationalhymnen abgezogen und haben sich das Spiel in Wynne's Hotel angesehen. Als dann die englischen Faschos Randale machten und das Spiel abgebrochen wurde, sind die Polizisten in Windeseile zum Stadion zurück, kamen aber nicht hinein, weil die Tore geschlossen waren. Deshalb haben sie diesmal zur Operation Overkill geblasen.“

Beim Europameisterschafts- Qualifikationsspiel gegen Nordirland in Dublin hielten vorgestern 1.600 Polizisten und private Sicherheitskräfte die 200 Fans in Schach, die aus dem Norden angereist waren. Man steckte die Gäste in einen Block im Unterring, in dem tausend Menschen Platz gefunden hätten – 800 Sitze blieben leer. Dabei handelte es sich bei den Fans um handverlesene Familien, die ihre Tickets direkt vom nordirischen Fußballverband bekommen hatten. Um ganz auf Nummer Sicher zu gehen, spielte die Kapelle lediglich die irische Hymne und ließ die nordirische – also britische – Hymne weg.

Von irgendwelchen Spannungen war denn auch keine Spur, es ging zu wie auf einem Kindergeburtstag. Die Gäste aus Nordirland wurden mit donnerndem Applaus begrüßt, in der Halbzeitpause entschuldigte sich der Verband offizieller englischer Fanclubs für das Verhalten der Landsleute im Februar und löste damit ebenfalls frenetische Begeisterung aus.

Unglücklicherweise wurden die Spieler von den Nettigkeiten angesteckt, so daß sich bei strahlendem Sonnenschein ein völlig harmloses Geplänkel entwickelte. Der niederländische Schiedsrichter Mario van der Ende ließ sich davon freilich nicht beeindrucken, sondern zog die „Operation Overkill“ gnadenlos durch: Im Durchschnitt gab er alle anderthalb Minuten einen Freistoß, selbst ein böser Blick auf den Gegner reichte schon für eine Verwarnung. Mit seiner Trillerpfeifenorgie zerstörte der Wichtigtuer selbst noch den rudimentärsten Spielfluß. Das 1:1 nach Toren von Niall Quinn und dem nordirischen Ausgleich durch Ian Dowie 17 Minuten vor Schluß war gerecht, auch wenn die Nordiren ansonsten keine einzige Chance hatten. Der EM-Zug ist für sie wohl abgefahren, während die Südiren mit zehn Punkten aus vier Spielen gut im Rennen liegen.

Ihr englischer Trainer Jack Charlton war nach dem Spiel dennoch unzufrieden. „Ich hasse März“, grantelte er, „den Monat müßte man glatt abschaffen.“ Dann fügte er listig hinzu: „Vielleicht gibt das Ergebnis den Nordiren Auftrieb, so daß sie unseren Konkurrenten noch den ein oder anderen Punkt abknöpfen.“ Ralf Sotscheck