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„Die Armee als Kontrollorgan gegen Aristide“

■ Die unrühmliche Rolle der USA beim Umbau von Militär und Polizei auf Haiti

Port-au-Prince (taz) – Die Armee ist aufgelöst, die Generäle abgesetzt – und im Verteidigungsministerium ist jetzt das Ministerium für Frauen untergebracht. Was sich auf den ersten Blick wie das Schlußkapitel aus dem Märchenbuch der Friedensbewegung liest, ist im Fall Haitis Realität geworden – in jenem Land, in dem die Armee in Personalunion mit der Polizei nie etwas anderes getan hat, als durch blanken Terror die Oligarchie zu schützen.

Bei genauerem Hinsehen allerdings stellt sich heraus, daß zumindest ein Teil der Armee in neuen Uniformen weiter existiert. Rund 3.000 ehemalige Soldaten und Offiziere sind in die haitianische „Interimspolizei“ übernommen worden, die erst nach und nach durch Absolventen der neugeschaffenen Polizeiakademie ergänzt und auf 7.000 Mitglieder erweitert werden soll. Die „Interimspolizisten“ mußten lediglich einen Schnellkurs durchlaufen, in dem, so ein kanadischer Ausbilder, innerhalb von sechs Tagen unter anderem die Frage erörtert werden mußte, „was denn an der Folter so schlimm“ sei. Internationale Menschenrechtsorganisationen und haitianische Gruppen kritisieren vor allem, daß nur in wenigen Fällen konsequent recherchiert worden ist, ob die „neuen“ Polizisten in der Vergangenheit an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren.

Zumindest Teile der US-Administration hatten sich von Beginn an gegen den Vorschlag gesperrt, für die neue Polizeitruppe ausschließlich Zivilisten zu rekrutieren. Soldaten, so die Begründung, seien wenigstens ansatzweise mit Disziplin, Diensthierarchien und dem Umgang mit Waffen vertraut. Solche Argumentation macht argwöhnisch: „Der Plan der US-Regierung“, heißt es in dem Bericht der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ über den Stand der Polizeireform auf Haiti, „machte das offensichtliche Bestreben deutlich, von der haitianischen Armee zu retten, was zu retten ist. Zum einen hat man mit dieser Institution lange und gute Kontakte, zum anderen sieht man sie als Kontrollorgan gegen Aristide.“

Um Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit herzustellen, fehlt bislang nicht nur eine adäquat ausgebildete Polizei, sondern auch eine funktionierende Gerichtsbarkeit. Die meisten der Richter und Staatsanwälte, die noch im Amt sind, wurden unter dem alten System ernannt, sind korrupt und unwillig, Begriffe wie „Menschenrechte“ in ihren Wortschatz aufzunehmen. Darüber hinaus befindet sich die Infrastruktur der Justiz in einem katastrophalen Zustand: Es fehlen Telefone, Faxgeräte, Schreibmaterial, Stühle. Oft sind nicht einmal die Gesetzestexte vorhanden.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß Haitianer bislang nur selten versucht haben, ihre ehemaligen Mißhandler und Folterer vor Gericht zu ziehen. In einem prominenten Fall allerdings ließ sich die Sache vielversprechend an: Nachdem er von mehreren haitianischen Bürgern angezeigt worden war, stellte ein Gericht in Port-au-Prince Ende letzten Jahres eine Vorladung an Emmanuel „Toto“ Constant aus, ehemals Chef der Terrororganisation FRAPH und Informant der CIA. Constant ließ ein paar Gerichtstermine ungerührt verstreichen – und setzte sich kurz darauf in die USA ab. Ganz legal, mit einem gültigen Visum. Andrea Böhm

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