■ Gastkolumne „2000 Anschläge“
: Kunst und Käse

Seit 1993 treten jährlich 7.000 Künstler in die Künstlersozialversicherung ein. Tendenz steigend. Täglich werden Institutionen und Galerien mit Ausstellungswünschen bestürmt - persönlich, telefonisch, mit Mappen (Anfänger), Katalog (Arrivierte), Videos (Trendbewußte).

Wer die Kunst und die Künstler liebt und achtet, muß sich die Frage stellen, ob hier nicht im großen Stil junge Menschen einer Illusion erliegen - Künstler haben Erfolg und Geld. Nur sehr wenige von ihnen können sich die Härte und Belastung einer Künstlerexistenz vorstellen. Nach Schätzungen leben in Deutschland nur knapp 100 Künstler dauerhaft und ausschließlich von ihrer Kunst.

Der Broterwerb muß anderweits gesichert sein, z.Zt. gibt es in Deutschland mehr Künstler als Sammler. Unabhängigkeit - auch von staatlicher Förderung - ist unabdingbare Voraussetzung für zweckfreie, geistige Leistung, und nur die kann letzten Endes die Gesellschaft bereichern.

Gerade in der bildenden Kunst, wo die herausragenden Leistungen nicht an spezifische Fertigkeiten wie z.B. in der Musik gebunden sind, ist die Eingangsschwelle sehr niedrig, Spätentwickler und Seiteneinsteiger fühlen sich berufen.

Angesichts der großen Zahl kreativ tätiger Menschen stellt sich nicht die Alternative: Breiten oder Spitzenförderung, sondern die nach der Qualität des Werkes, nach der Bedeutung der künstlerischen Leistung für Dritte. Und dort sollte die Förderung ansetzen. Diese Entscheidung wird gern vermieden, da sie der Sache nach subjektiv, oft parteiisch und zeitgebunden, undemokratisch ist. Sie stört die Sensibilität, die Illusion.

Aber warum sollte gerade den Künstlern eine Leistungsbewertung erspart bleiben? Selbstverständlich ist künstlerisches Tun ein hohes persönliches Gut, für den einzelnen dank breiten Wohlstands und guter Ausbildung auch erstrebenswert - aber ist dieses Tun immer öffentlich zu fördern? Spukt da nicht der Geniebegriff des 19. Jahrhunderts? Sollte nicht das Privileg selbstbestimmten Handelns die Risikobereitschaft des Künstlers voraussetzen und fordern? Gehören die Künstler nicht zu den Freien Berufen? Hätten nicht auch andere Berufe gern Sponsoren, um ihre Ideen auszudrücken? Nicht der Künstler gehört unter die Käseglocke, sondern das Kunstwerk.

Katrin Rabus, Galeristin