Wasserweg-Luftschloß

■ Europa-Schiffsautobahn: viele Freunde, nichts Konkretes

In den nächsten zehn Jahren wird das Verkehrsaufkommen in Europa um 100% steigen. Sagen Verkehrsexperten. Nicht nur für die Umwelt wird das zum Problem. Wenn die Staus ins Unermeßliche wachsen und sich auf den Straßen nichts mehr bewegt, wird auch die Ökonomie Schaden nehmen. Seit etwa drei Jahren zeigen Fachleute der EU, Verkehrsminister, Schiffbauer, Reeder und Verlader deswegen mit langem Arm aufs große weite Meer: Auf dem Wasser gibt es keinen Stau. Her mit der „Wasserautobahn“!

„From Road to Sea“ heißt ein 5 Jahre altes Konzept der EU, Verkehr von der Straße aufs Wasser zu verlagern. Mögliches Endziel: Schnelle, kleine Schiffe sausen immerfort im Linienverkehr um die Küsten Europas, um mit einer optimierten Logistik blitzschnell in den Häfen be- und entladen zu werden. Hintergrund ist die Erkenntnis, daß die Schifffahrt zwar nicht in Punkto Schnelligkeit mit der Konkurrenz (Bahn, LKW) mithalten kann. Interessant wird es aber, wenn man die Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und (unter bestimmten Umständen) die Umweltverträglichkeit beachtet. Oft nämlich hat es die Ware gar nicht so eilig bis zum Ziel. „Just in Time“ sagen die Kunden, das heißt: möglichst viele Güter sind in rollenden (oder eben schwimmenden) Lagern unterwegs. Erst zu einem bestimmten festen Termin müssen sie sein, wo sie gebraucht werden. In solche logistischen Konzepte können Schiffe gut eingebaut werden.

Die Idee, das Schiff als Verkehrsträger wieder aufzuwerten, hat naturgemäß viele Freunde. Am kühnsten sind die Pläne der Schiffbauer, die gern von einer „Küstenautobahn“ sprechen. Dafür braucht man selbstverständlich neue Schiffe, die mit über 40 Knoten laufen. Man denkt an lukenfreie Bauweise, damit die Be- und Entladung schneller wird (möglichst sogar gleichzeitig).

An der Diskussion, die auf EU-Ebene und in einem „Maritimen Industrie-Forum“ (eine Bangemann-Initiative) stattfindet, beteiligen sich natürlich auch die Küstenländer und die Reeder. „Short Sea Trade“, „Short Sea Shipping“ oder „Short Sea Transport“ sind die verheißungsvollen Begriffe, die besonders vor Europawahlen in Hochglanzbroschüren gedruckt werden. Schaut man genauer hin, sieht die Diskussion allerdings außerordentlich trostlos zurück.

Nachfrage beim Bremer Häfensenator. Short Sea-Verkehr? „Ein heißes Thema“, behauptet Schifffahrtsreferent Hans-Günther Jureck erst mal. Um dann aufzuzählen, woran es hakt. Zuallererst sind die vielen kleinen Reeder und Kapitänsreeder überhaupt nicht organisiert, um eine neue Vertriebsorganisation aufzubauen. Dann müßten die Häfen neue, schnelle Umschlagplätze ähnlich den Güterverkehrszentren einrichten. Und unkompliziertere Zollverfahren müßten her. Jureck: „Alles dreht sich im Kreis!“ Außerdem sei das Schiff einfach zu teuer. Es müßten also Subventionen für die Schifffahrt her oder Belastungen für den LKW - „aber wer will das?“ Sein Haus hat 1993 zum letzten Mal ein Papier in der Sache veröffentlicht.

Bernd Mester, bei der Bremer BLG für Verkehrspolitik zuständig, hält sich zum Thema „Road to Sea“ sehr bedeckt. Die Potentiale für die Küstenschiffahrt findet er zwar „nicht unerheblich“, doch auf der „Straße geht es einfacher“. Er sieht weit und breit niemand, der eine Küstenautobahn anschieben könnte; dabei hält Mester noch nicht einmal neue Schiffstypen für notwendig. Das Thema werde auf EU-Ebene diskutiert.

Rudolf Gaßdorf, Vertreter einer argentinischen Reederei und immerhin für die CDU in der Häfendeputation, hat gar überhaupt noch nicht von neuen Konzepten zur Belebung der Küstenschiffahrt gehört. Und der Bremer Vulkan verteilt auf Anfrage einen älteren Prospekt „Küstenparallele Seeschifffahrt“ mit der Mahnung „Handeln ist geboten!“

Ein wenig Begeisterung für die neue schnelle Küstenschiffahrt findet man nur bei Manfred Schramm, für die Grünen in dere Häfendeputation. Er spricht von „Ökologistik“, einem „grünen Schiff“ und neuen Technologien und Arbeitsplätzen für Bremen. Auch wenn die Grünen natürlich grundsätzlich Verkehre vermeiden wollen. BuS