: „Er läßt kein Fettnäpfchen aus“
Der neue CSU-Generalsekretär Bernd Protzner sorgt mit seinen öffentlichen Auftritten für Unmut in der eigenen Partei – „Politischer Minenhund“ von Parteichef Theo Waigel ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
Frauen sind in seinen Augen ein „Risiko in der Politik“. Noch nicht einmal hundert Tage und jede Menge Schlagzeilen. Bernd Protzner, der neue CSU-Generalsekretär, ist der Mann, der Grobes schätzt.
Mit Spannung warten die Delegierten des am Wochenende in Bamberg stattfindenden kleinen Parteitags der CSU, was er diesmal zum Besten geben wird. Kürzlich hatte er von Tieffluglärm geplagten Bürgern beschieden, daß der Krach eines Tornados längst nicht so schlimm sei, wie eine nächtens betriebene Schlagbohrmaschine. Mal setzte er das DDR-Gefängnis Bautzen gleich mit einem Konzentrationslager, dann verließ er im oberfränkischen Kronach wutschnaubend mit einem trotzigen: „Ich lasse mich nicht als Esel beleidigen“ vorzeitig eine Podiumsdiskussion. Der Hintergrund: Einige Veranstaltungsteilnehmer wollten ihm nur eine „Eselsbrücke“ bauen, nachdem er als zukünftiges Konfliktszenario den Einsatz deutscher Tiefflieger gegen irakische und algerische Waffen entworfen hatte.
Über den so ungestüm polternden Newcomer aus Kulmbach ertönt auch aus den eigenen Reihen Unmut. „Der Mann läßt kein Fettnäpfchen aus, da sind wir uns inzwischen innerhalb der Fraktion einig“, empört sich der Vorsitzende des CSU-Umweltarbeitskreises und Landtagsabgeordnete, Josef Göppel. Andere sehen bereits einen Karriereknick voraus.
Dabei war Protzner nach Abschluß des Superwahljahres der CSU-Senkrechtstarter schlechthin. Kaum hatte die CSU die bei Landtags- und Bundestagswahlen in Bayern souverän die absolute Mehrheit im Freistaat gewonnen, wurde der stämmige Lehrer von Parteichef Waigel auf das Personalkarussell gehievt. Nach Erwin Hubers Aufstieg zum Staatsminister war der Posten des CSU-Generals vakant. Niemand hatte mit dem Bundestagsabgeordneten Protzner gerechnet. Tradition war es bislang, daß der CSU-Generalsekretär aus München, zumindest aus dem Kreise der Landespolitiker stammen muß. In der Riege Strauß, Zimmermann, Tandler, Streibl, Stoiber, Huber – was suchte da der Nobody Bernd Protzner?
Waigel preschte vor, präsentierte den erstaunten Parteifreunden den Kulmbacher als zukünftigen General und sicherte sich damit von Bonn aus einen Mann direkt in der CSU-Schaltzentrale.
Was gefiel Waigel an Protzner? Daß dieser 1990 mit einem entschiedenen Votum gegen die „Entfremdung von der Heimatkultur“ als Direktkandidat in den Bundestag gewählt worden war? Wohl kaum. Denn Kulmbach gilt schon seit Anfang der fünfziger Jahre als einer der sichersten Wahlkreise der CSU. Vier Jahre später wiederholte Protzner seinen Pflichterfolg zwar, erreichte aber das schlechteste Ergebnis seit 1953. Gefiel Waigel, daß er schon mit dreizehn für die Junge Union Plakate klebte und als Stipendiat der Konrad- Adenauer-Stiftung Politikwissenschaft und Philosophie studierte?
Ein Generalsekretär sei für ihn ein „politischer Minenhund“, der dem Vorsitzenden den Rücken freihalten müsse, definierte Waigel den Aufgabenbereich. „Da darf er bei aller Sensibilität nicht zu fein besaitet sein.“ Er solle sich ins „Schlachtengetümmel stürzen“ und genau dafür habe Protzner „die Konstitution und die Figur“.
Und Protzner, der „Arbeit als etwas Schönes“ erachtet und dem Lebensplanung als „etwas sehr Sozialistisches“ mißfällt, stürzte sich heftiger ins Getümmel als manchem Christsozialen lieb war. Schon nach dem ersten Fehltritt gab ihm Vorgänger Huber den Rat, er solle am besten nur noch sagen: „Ich schließe mich den Ausführungen des Parteivorsitzenden an.“ Doch Protzner war das zu wenig. „Ich liebe die freie Rede“, betont er trotzig.
Mit seiner Tour durch die CSU- Bezirke will der Generalsekretär nun die Mißverständnisse ausräumen. Vielleicht ist es dazu aber schon zu spät. In Teilen der CSU geht die Angst um, daß der Neue das Feld wieder tief zerpflügen könnte, daß die CSU-Spitze nach der schweren Amigo-Krise mittlerweile wieder so gut bestellt hatte.
Seit August letzten Jahres hat die CSU im Gegensatz zu allen anderen Parteien unterm Strich 1.200 neue Mitglieder gewonnen. „Die Affären interessieren niemanden mehr“, freut sich da der CSU-Pressesprecher Maximilian Schöberl. „Wir haben eben bewiesen, daß wir im Ernstfall zusammenstehen. Augen zu und durch, hieß unser Motto.“
Beim „Ernstfall“ Protzner wird diese Devise nicht mehr lange gelten. Offene Kritik ist noch Mangelware. „Er hat das eine oder andere mißverständlich ausgedrückt“, bemerkt Parteisprecher Schöberl betont vorsichtig. Der CSU-Landtagsabgeordnete Günther Gabsteiger fordert von Protzner, daß „er langsam konkret wird und nicht immer nur sagt, wir müßen kämpfen“. Kronachs Landrat, Werner Schnappauf, meint, Protzner müsse eben „noch seine Erfahrungen sammeln“. Außerdem dürfe man „nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen“.
Landrat Werner Schnappauf weiß, wovon er spricht. In seinem Kreisverband probt die CSU die Öffnung durch sogenannte Schnuppermitgliedschaften. Als sich noch kaum jemand für diese interessierte, posaunte Protzner schon, die „bisherigen Erfahrungen“ seien „außerordentlich positiv“. Nach drei Monaten gibt es aber derzeit erst „ein paar Dutzend“ CSU-Schnupperer.
Der Angegriffene setzt dagegen unbeirrt auf die Geschlossenheit der der Partei. „Die CSU ist eine Partei, die traditionell vorwärts denkt und schaut und sich nicht durch innerparteiliche Auseinandersetzungen lähmen läßt.“
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