Kurden sollen bald abgeschoben werden

■ Auch NRW hebt Abschiebestopp demnächst auf / Herbert Schnoor will „Thema aus dem Wahlkampf heraushalten“ / Einzelfallprüfung für 1.200 Betroffene zugesagt

Düsseldorf (taz) –Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor (SPD) wird den Abschiebestopp für Kurden aus der Türkei noch „vor Ostern“ aufheben. Das kündigte er gestern völlig überraschend im Düsseldorfer Landtag an.

Noch in der vergangenen Woche hatte er nach einer Telefonkonferenz mit seinen SPD-Amtskollegen erklärt, „vor der Aufhebung“ des rein rechtlich bis zum 12. Juni möglichen Abschiebestopps verlange er von der Türkei „deutliche Signale“ zur rechtsstaatlichen Behandlung der abgeschobenen Kurden. Schnoor wörtlich: „Die Möglichkeit der Betreuung durch einen Rechtsanwalt ist die Vorraussetzung dafür, daß ich die Wiederaufnahme der Abschiebung von Kurden in die Türkei verantworten kann.“ Von diesem Junktim war gestern nun nicht mehr die Rede. Schnoor begründete seinen Sinneswandel dabei in erster Linie mit der aktuellen CDU-Kampagne gegen den Abschiebestopp.

CDU-Oppositionsführer Helmut Linssen hatte Schnoor in den letzten Tagen auch vorgeworfen, mit seiner Politik geltendes Recht zu verletzen und „einseitig die Sache kurdischer Extremisten zu vertreten“. Mit dem generellen Abschiebestopp setze Schnoor „das völlig falsche Signal“ und provoziere geradezu beliebige Einreisemöglichkeiten nach Deutschland , sagte Linssen gestern. Diese Angriffe, so Schnoor im Landtag, ließen „erwarten, daß die CDU keine Skrupel haben wird, den Abschiebestopp zum Gegenstand der Wahlkampfauseinandersetzung zu machen“. Angesichts der negativen Haltung weiter Bevölkerungskreise gegen den Abschiebestopp, angesichts der verbrecherischen Anschläge der PKK gegen türkische Einrichtungen und der dadurch wachsenden Kriminalitätsfurcht der Deutschen falle „das sublime Schüren von Furcht hier auf fruchtbaren Boden“. Ihn interessiere nicht, welche Partei davon bei der Wahl am 14. Mai profitiere, sondern er wolle der Kampagne den Boden entziehen, weil sie „schlimm und gefährlich ist und sie Ausländerfeindlichkeit schürt“. Das zu vermeiden, sei sein „einziges Motiv“ dafür, den Abschiebestopp nicht erst am 12. Juni auslaufen zu lassen.

Die nordrhein-westfälischen Ausländerämter werden nun angewiesen, dem Düsseldorfer Innenministerium ab sofort sämtliche Einzellfälle – insgesamt rund 1.200 Personen – zu melden. Dabei geht es Schnoor zufolge ausschließlich um Personen, die nicht zum PKK-Umfeld gezählt werden und die in Deutschland nicht straffällig geworden sind. Im Düsseldorfer Innenministerium soll dann noch einmal die individulle Gefährdung überprüft und gegebenenfalls soll von einer Abschiebung abgesehen werden.

Die in der vergangenen Woche in Aussicht gestellte vertragliche Vereinbarung mit dem Istanbuler Menschenrechtsverein über den anwaltlichen Schutz in der Türkei ist noch nicht unter Dach und Fach. Innenminister Schnoor sagte gestern, daß dem Menschenrechtsverein die Kooperation mit der Düsseldorfer Regierung nach der Aufhebung des Abschiebestopps jetzt wohl leichter fallen werde, weil das Düsseldorfer Junktim dem Verein den Vorwurf eingebracht habe, er trage letztlich die Verantwortung für die Aufhebung des Abschiebestopps. Walter Jakobs