Sanssouci: Vorschlag
■ Ein hübsches neues Sammelsurium: Das Künstlerheim Luise
Color-TV, Minibar und eigenes Bad kann man vergessen. Die Zimmer im neueröffneten „Künstlerheim Luise“ haben andere Qualitäten: sie bieten Duschen auf dem Gang, Gemeinschaftsküche, einen Rundumblick über die Dächer Berlins – und Kunst, viel Kunst. Jeder der elf Räume der am vergangenen Freitag abend „offiziell“ eingeweihten Pension in der Luisenstraße 19 wurde von Künstlern gestaltet.
Ein hübsches Sammelsurium: Da gibt es zum Beispiel die „Dschungelhöhle“ des Berliners Torsten Sautter, einen etwa acht Quadratmeter großen, über und über mit Urwaldmotiven ausgemalten Kaninchenstall mit Bett drin; oder das „Kinderzimmer“ der Malerin Heike Ruschmeyer, ebenfalls aus Berlin: an den Wänden hängen Bilder von wäßrig-weißlichen Föten („Die Schlaflosen“) – was hinreichend deutlich macht, daß im Künstlerheim Luise die Tarife mit 30 Mark pro Übernachtung zwar sehr zivil gehalten sind, erholsamer Schlummer aber nicht zwangsläufig im Preis inbegriffen ist. Ein anderer Künstler, Toto Cariello aus Bologna, bemalte seinen Raum mit archaisch anmutenden vierbeinigen Viechern, bei denen schwer zu entscheiden ist, ob es sich dabei nun um Hunde oder um überdimensionierte Blattläuse handelt. Auf dem Boden hat Cariello Hunderte von bunt besprayten Schuhen ausgebreitet, „damit man“, wie eine Besucherin am Eröffnungsabend meinte, „auch gleich was zum Anziehen hat“. Die Qual der Wahl: Von jedem Paar ist nur ein Schuh vorhanden, außerdem liegt über dem ganzen Arrangement ein schweres Stahlgitter. Nebenan ist die „Flitterwochensuite“ des Künstlerheims Luise. Die Berlinerin Sira Ullrich hat mittels weißem Schleier aus der einfachen Pritsche ein wunderschönes Himmelbett gezaubert. Ein wenig gestört wird das Idyll lediglich durch die am Galgen baumelnde Gestalt an der Wand gegenüber.
Ein eher intellektuelles Spiel mit dem Raum hat der Künstler Thomas Rudolph getrieben. Er installierte in Zimmer 5 ein Gerüst von Stahlbändern, das eine zweite, imaginäre Raumschale beschreibt; man kann es auch als Kleiderstange benutzen. Von Matias Bechtold erdacht wurde die Einrichtung von Zimmer 9 – eine Sequenz von rund fünfzig Bleistiftzeichnungen, die aus einem surrealen Zeichentrickfilm stammen könnte: unsere kleine Welt, mal von innen, mal von außen betrachtet.
Anderthalb Jahre wird die künstlerische Gestaltung der „Luise“ so bleiben, wie sie ist, danach soll die „zweite Generation“ folgen. Auch wollen die Betreiber Torsten Modrow und Mike Buller das Künstlerheim Luise zu einem „Ort der Kommunikation“ machen. Dazu gehört, daß die Mieter, die dort künftig wohnen werden, an Ort und Stelle arbeiten können. In der dritten Etage stehen ein paar Zimmer zur Verfügung, die als Ateliers und Ausstellungsräume genutzt werden können. Und ein wichtiges Ausstattungsdetail dieser etwas anderen Pension fehlt noch, wird aber demnächst eingebaut werden: das „Klo zur Macht“, ein Pißpott mit Blick auf den nahe gelegenen Reichstag. Der ist nur zweihundert Meter Luftlinie entfernt. Ulrich Clewing
Künstlerheim Luise, Luisenstraße 19, Mitte. Büro Tel.: 308 70 705, 0171 329 08 70.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen