: "Ohne Moos geht's los"
■ Kein Geld? Kein Problem! In Kreuzberg läuft ein Tauschhandel, bei dem mit der Verrechnungseinheit Kreuzer bezahlt wird / Nachahmer in anderen Bezirken
Seit einem Monat existiert in Kreuzberg der Tauschring. „Ohne Moos geht's los“ ist das Motto der zehn Kreuzberger, die das Projekt seit dem ersten Treffen im November letzten Jahres vorbereitet haben. Die Idee, in Großbritannien bereits in mehreren Gemeinden verwirklicht, ist ebenso einfach wie genial. Im Prinzip handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Nachbarschaftshilfe auf einer organisierten Ebene.
Jeder kann im Kreuzberger Tauschring gegen eine Aufnahmegebühr von 20 Mark Mitglied werden. Zusammen mit einer Jahresgebühr von 20 Mark (für Portokosten) ist das das einzige Geld, das investiert werden muß. Im Büro im Kreuzberger Nachbarschaftsheim in der Urbanstraße hat jedes Mitglied sein „Konto“. Dort wird quasi als Geldersatz die Verrechnungseinheit Kreuzer gebucht. Die Liste der Angebote ist im einmonatigen Probelauf bereits vielfältig. Es reicht von Einkaufen für ältere oder behinderte Nachbarn über Steuerberatung, Malerarbeiten und Tapezieren bis hin zur „Transpersonalen Hypnosetherapie“. Die Angebote sollen einmal monatlich im Straßenkreuzer, der Tauschringzeitung, veröffentlicht werden. Die aktuellen Angebote können auch telefonisch im Büro erfragt werden. In regelmäßigen Abständen sollen im Nachbarschaftshaus Tauschbörsen veranstaltet werden, um neue Interessenten zu animieren und den MitarbeiterInnen die Gelegenheit zu geben, sich kennenzulernen.
Der Vorteil gegenüber einem normalen Tauschgeschäft ist, daß kein direkter Tausch zwischen zwei Partner zustandekommen muß. Bietet jemand eine Dienstleitung an, zum Beispiel Haareschneiden, so bekommt er als „Bezahlung“ eine Gutschrift über die vorher ausgehandelte Summe in Kreuzern. Im Büro buchen die MitarbeiterInnen die Kreuzer dann vom Konto des Arbeitgebers auf das des Arbeitnehmers. Je nach Kontostand – die Höchstgrenze liegt vorläufig bei 300 Kreuzern plus oder minus – muß dann jeder versuchen, seine Aus- und Eingaben in Waage zu halten. Keiner kann reich werden, indem er Kreuzer scheffelt, besser: der Reichtum nutzt ihm nichts. Er hat lediglich einen Anspruch auf Dienstleistungen. Ein Minus auf dem Konto bedeutet auch nicht Schulden im herkömmlichen Sinne, sondern lediglich ein Versprechen, selber eine Dienstleistung anzubieten und bei Nachfrage auszuführen. Die Bezahlung richtet sich nach dem „normalen“ Stundenlohn, und so geben die MitarbeiterInnen eine Empfehlung von 20 Kreuzern pro Stunde.
Die Initiatoren des Kreuzberger Tauschringes, der inzwischen auf 50 Mitglieder angewachsen ist, hoffen, Nachahmer in anderen Bezirken Berlins zu finden. Eine Ausweitung des Kreuzberger Projekts auf andere Stadtteile ist schon aufgrund der langen Anfahrtswege und der damit verbundenen Kosten nicht sinnvoll. Außerdem ist der Sinn der Tauschgeschäfte natürlich nicht nur die geschäftliche Seite. Auch nachbarschaftliche Beziehungen sollen mit der Aktion wieder- oder neubelebt werden.
In einzelnen Bezirken wie Wedding, Friedrichshain und Hellersdorf haben Mitglieder der Nachbarschaftshäuser bereits damit begonnen, ähnliche Projekte zu initiieren. So arbeitet Aktiv im Kiez im Weddinger Nachbarschaftladen an einer Form des Tauschrings (Kiautschoustr. 5, Tel.: 453 81 40 oder 461 18 94), in Friedrichshain versucht sich das Netzwerk in der Boxhagenerstraße damit (Tel.: 580 20 02) und die Talentebörse in Hellersdorf bietet ebenfalls einen Tauschring an (Kastanienallee 27, Tel.: 561 20 82).
Am 5. April lädt die Kreuzberger Tauschbörse alle Interessierten aus anderen Stadtteilen in die Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg ein. Ab 19.30 Uhr stellen die MitarbeiterInnen „Ohne Moos geht's los“ vor und geben Tips für Nachahmer. Für Nachfragen sind montags (17-19 Uhr) und mittwochs (18-20 Uhr) MitarbeiterInnen unter 692 23 51 zu erreichen. Elke Eckert
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