Die Überschwemmung der Wüsten

■ Grace Akumu, Koordinatorin des Climate Network Africa in Nairobi, über die Schwierigkeiten, Klimaveränderungen auf ihrem Kontinent zum Thema zu machen

taz: Die Gefahr fürs Klima war zu Zeiten der Rio-Konferenz kein großes Thema in Afrika. Hat sich daran etwas geändert?

Grace Akumu: Noch gibt es bei uns tatsächlich keine große Diskussion übers Klima. Afrikanische Länder haben die Klimakonvention in Rio unterschrieben als Gegenleistung dafür, daß die Industrieländer die Wüstenkonvention gezeichnet haben. Daß das Klima ein großes Problem ist, wußte damals auf unserem Kontinent fast niemand. Wir als regierungsunabhängige Organisationen (NGO) haben unsere Regierungen immer wieder darauf hingewiesen, daß sie sich darum kümmern müßten. Die Maßnahmen gegen Wüstenbildung und Armut machen ja keinen Sinn, wenn man nicht auch gegen die Klimaänderung vorgeht. Wir versuchen jetzt, unseren Regierungen klarzumachen, daß sie für finanzielle Ressourcen sorgen müssen, wenn die zu erwartenden Schäden tatsächlich eintreten. Nehmen Sie zum Beispiel die Flut in Holland: Der ökonomische Schaden ist sehr hoch. Wenn es vergleichbare Schäden infolge von Klimaänderung in Afrika gibt, werden viele Menschen sterben, weil wir gar nicht die Möglichkeit haben zum Beispiel zu evakuieren oder Schutzmaßnahmen zu bauen. Aber uns ist natürlich auch klar, daß mit Geld allein das Problem nicht zu lösen ist.

Afrika ist ja kein monolithischer Block. Welche Differenzen gibt es?

Die Interessen und Gefahren sind sehr unterschiedlich. An den Küsten und am Nil wird der Anstieg des Meeresspiegels fatale Auswirkungen haben. Die Menschen werden ins Inland ziehen, und dort wird es unweigerlich zu weiteren politischen Konflikten kommen, weil das fruchtbare Land nicht mehr ausreicht. Auch die Tourismusindustrie an den Küsten wird massiv geschädigt; große Summen zur Küstensicherung werden aufgewandt werden müssen. Vielleicht haben wir auch schwere Regenfälle und Überschwemmungen in Gegenden, die heute sehr trocken sind. Die Gefahr für Malaria würde massiv steigen. Und die Klimaforscher sagen voraus, daß es noch wärmer wird; manche Wüsten könnten sich dadurch ausdehnen, weitere Hungerkatastrophen wären die Folge.

Wie stark sind Afrikas NGOs?

Climate Network Africa in Kenia ist die einzige NGO auf dem ganzen Kontinent, die feste Arbeitsplätze im Klimabereich hat. Unsere Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Wir haben nur eine vierteljährlich erscheinende Veröffentlichung, die wir an die Ministerien und NGOs in anderen afrikanischen Ländern schicken. In Senegal, Simbabwe und Nigeria gibt es Arbeitsgruppen, die sich in ihrer Freizeit engagieren.

Machen Sie auch Politik gegen die Ölindustrie in Nigeria, die bei Klimapolitik bremst?

Nigeria ist nicht so schlimm wie die Saudis und Kuwaitis, die völlig vom Öl abhängen. Aber wir Leute aus Entwicklungsländern sehen, daß die Industrieländer dieses Argument hier in Berlin unlauter benutzen. Die Industrieländer sind es doch, die das Öl nutzen, nicht die Förderländer. Sie und ihr immenser Konsum sind das Problem. Wenn die Förderländer gezwungen wären, ihre Ölproduktion zu stoppen, wovon sollten sie leben? Vor allem die USA wollen von sich ablenken. Präsident George Bush hat in Rio ja deutlich formuliert: Der amerikanische Lebensstil ist nicht verhandelbar. Wir drängen unsere Regierungen, daß sie ausschließlich über Emissionsreduzierung in den Industrieländern, konkrete Mengen und Zeitpunkte verhandeln, nicht über Nebenaspekte. Interview: Annette Jensen