■ Mit Ignoranz und Hilflosigkeit reagiert Afrika auf die Herausforderung durch den Treibhauseffekt. Während Simbabwe mit Photovoltaikanlagen immerhin einen Anfang zu machen sucht, will das Ölland...
: Der schwarze Kontinent im Klimastreß

Vor drei Jahren veröffentlichten die UN eine „Top Twenty“- Liste der wichtigsten Umwelt- und Sozialprobleme Afrikas. Ergebnis: Der Treibhauseffekt landete abgeschlagen auf Platz 17, die rote Laterne errang das Ozonloch. Die Afrikaner, dies ist offensichtlich, haben ganz andere Sorgen. Armut, Kriege, Hunger, Trockenheit, Wassernotstand, Bodenerosion, Verwüstung, Entwaldung, Analphabetismus, finanzieller Bankrott, Kindersterblichkeit, Aids. Da wird der Klimawandel zur Marginalie. Und doch scheint in einigen Staaten langsam das Bewußtsein dafür zu wachsen, daß manche der schlimmsten Katastrophen wie Dürren und Hungersnöte direkt mit dem Klima zusammenhängen.

Sollte sich das Klima weiter verschlechtern, wird Afrika zu den großen Verlieren der kommenden Warmzeit zählen. Die drohende Erwärmung trifft einen Kontinent, der verletzlicher ist als alle anderen und der schon heute die größte Krise seit der Kolonialzeit erlebt. Der Nigerianer Ewah Otu Eleri hat in einer Studie des Osloer Fritjof-Nansen-Instituts die Reaktion Afrikas auf die bevorstehende Klimaänderung am Beispiel von Nigeria und Simbabwe untersucht. Sein Fazit: Die wirtschaftliche und ökologische Dauerkrise Afrikas blockiert eine angemessene Reaktion auf die neue Herausforderung.

In vielen Regionen Afrikas ist heute die Lebensqualität unter das Niveau der sechziger Jahre gesunken. Im Bettelclub der 40 Ärmsten rangieren 28 afrikanische Länder, 1981 waren es noch 21. In den achtziger Jahren fiel das Bruttosozialprodukt der Sub-Sahara-Staaten jährlich um durchschnittlich 4,2 Prozent. Warum, so fragt Eleri vor dem Hintergrund dieser Talfahrt, sollen sich die afrikanischen Staaten in der Klimapolitik engagieren, wenn es schon die reichen Industriestaaten nicht tun? Und die sind mit ihrem Lebenstil, ihrem maßlosen Konsum und Energieverbrauch für die steigende Fieberkurve im Treibhaus Erde verantwortlich. Allein die USA blasen achtmal soviel Treibhausgase in die Atmosphäre wie sämtliche afrikanischen Länder zusammen. In Kenia fahren knapp 600.000 Autos, in der Bundesrepublik 40 Millionen – siebzehnmal soviel.

Die anhaltende Dürre hat in den achtziger Jahren zu den größten Hungersnöten der Neuzeit geführt. Nach Äthiopien sind jetzt vor allem Somalia, Sudan und Mosambik bedroht. Die gegenwärtige Dürre „hat 40 Millionen Afrikaner an den Rand der Hungersnot gebracht“, schreibt Eleri. Die Mehrheit der Afrikaner ist direkt von der klimasensiblen Landwirtschaft abhängig. Mit jeder weiteren noch so geringen Erwärmung wird sich die Situation noch verschlimmern. Schon jetzt lagen die acht heißesten Jahre seit Beginn der Temperaturaufzeichnung alle in den achtziger oder neunziger Jahren.

Kann Afrika überhaupt angemessen auf die Klima-Herausforderung antworten? Eleri beklagt eine „Krise des Wissens“. Im großen Wirtschaftsdesaster verkümmern auch Bildung und Forschung. Hunderttausende von Akademikern sind in den letzten zehn Jahren nach Europa und Amerika gegangen, „einer der größten Verluste seit der Unabhängigkeit“. Die meisten Länder sind unfähig, Wissenschaft und Technologie zu nutzen. Entsprechend gibt es nur vereinzelte wissenschaftliche Untersuchungen zu den Klimafolgen für Afrika. Die Ignoranz der Politik gegenüber dem Klimawandel ist für Eleri ein Reflex auf das wissenschaftliche Vakuum.

Für eine aktive Klimapolitik fehlt zudem die Souveränität. Geberländer und Weltbank, so stellt der Autor der Studie fest, bestimmten heute in vielen Ländern Afrikas weitgehend die Wirtschaftspolitik und damit den politischen Kurs. Eleri bewertet diesen Dirigismus nicht nur negativ. Die Weltbank habe die ökologischen Gefahren immerhin erkannt und dränge die Regierungen zu Gegenmaßnahmen.

Mit Nigeria stellt Eleri sein Heimatland vor, ein Land, das klimapolitisch zu den auffälligsten in Afrika gehört. Und zu den niederschmetterndsten. Nigeria hängt direkt am Tropf der Petroindustrie. Ölgeschäfte machten im Jahr 1990 nicht weniger als 97 Prozent der Exporte aus. Bei einer Förderung von täglich 2,4 Millionen Barrel werden die Ölvorräte in 30 Jahren verheizt sein. Der Inlandspreis für einen Liter Benzin lag 1993 bei 2,1 Cent, der Benzinschmuggel in die Nachbarstaaten blüht.

Die Gasreserven Nigerias – Kuppelprodukt der Ölförderung – sind mit mehr als 8 Trillionen Kubikmeter riesig. Aber es fehlen Kapital, Leitungen und Infrastruktur, um die Vorkommen zu nutzen. 76 Prozent des gegenwärtig an die Erdoberfläche strömenden Gases, ein weltweit gesuchter wertvoller Rohstoff, werden einfach abgefackelt. Die sinnlos verbrannte Menge ist „größer als die gesamte Gasförderung in der Nordsee“ (Eleri). Das Abfackeln ist nicht nur Ressourcenverschwendung: Tag für Tag werden dabei gewaltige Mengen CO2 und Methan in die Atmosphäre geblasen.

Zweite große Klimasünde des Landes ist die Abholzung der nigerianischen Wälder. Jährlich wird der Bestand um 350.000 Hektar dezimiert. Zwei Drittel des Waldes sind nach Angaben der Weltbank bereits verschwunden. Mit der möglichen Verdoppelung der Bevölkerung bis 2020 wird sich die Abholzung noch beschleunigen.

Es überrascht wenig, daß Nigeria als Petroland von Treibhauseffekt und Klimapolitik nichts wissen will. Als Opec-Mitglied wehrt es sich strikt gegen alle Pläne einer CO2-Besteuerung. Zu den internationalen Klimakonferenzen wurden nur ein einziges Mal Meteorologen entsandt. Inzwischen bestehen die Delegationen konsequenterweise aus Mitgliedern der Ölgesellschaften.

Weit engagierter ist die Klimapolitik Simbabwes, des zweiten Lands, das in der Studie vorgestellt wird. Simbabwe zählt zu den umweltpolitisch fortschrittlichsten Ländern Afrikas. Es gehörte zu den ersten fünf Staaten, die 1992 die UN-Klimakonvention von Rio unterzeichnet und ratifiziert haben. Zugleich wurde eine Folgekonferenz einberufen und ein nationaler Aktionsplan verabschiedet. Wiederholt hat Simbabwe unmißverständlich kritisiert, daß die internationalen „Verträge und Konventionen nur Lippenbekenntnisse sind, weil das Geld fehlt, um die beschlossenen Empfehlungen umzusetzen“.

Die andauernde Dürre in dem Land, die ein Volk austrocknet, das zu 80 Prozent aus Bauern besteht, hat die Sensibilität für Klimafragen geschärft. Dennoch gelang es bisher nicht, die eigenen Umweltprobleme zu lösen, vor allem die Entwaldung zu stoppen. Knapp 100.000 Hektar Wald werden Jahr für Jahr der Landwirtschaft geopfert. Die Bodenerosion schreitet rasant fort. Die Überweidung durch die etwa 500.000 Rinder ist alarmierend.

Im Januar 1992 wurde eine Studie zu den CO2-Emissionen Simbabwes vorgelegt. Darin werden die wichtigsten Einsparmöglichkeiten genannt: Fahrzeuge mit niedrigerem Verbrauch, energieeffizientere Kochherde, Wasser- statt Kohlekraftwerken – eine insgesamt effizientere Wirtschaft. Für durchgreifende Umweltmaßnahmen fehlen Simbabwe die Finanzmittel. Immerhin wurden inzwischen 3.000 solare Photovoltaikanlagen installiert, meist für Beleuchtung, Kühlschränke und Wasserpumpen. Mit staatlicher Unterstützung sollen weitere 9.000 Anlagen geschaffen werden. Die geringen Produktionskapazitäten im eigenen Land sowie der Mangel an Ersatzteilen und an Service lähmen das Solarprogramm.

Während Ewah Otu Eleri ein wohlwollendes Fazit der Klimapolitik Simbabwes zieht und die international aktive Rolle des Landes lobt, sieht es für den Schwarzen Kontinent insgesamt eher düster aus. „Es ist unumgänglich“, schließt Eleri seine Studie, „den Hilferuf an die Adresse ausländischer Staaten und Gesellschaften zu richten.“ Doch die angesprochenen reichen Industrieländer sind – dies ist unübersehbar – schon mit ihrer eigenen Klimapolitik heillos überfordert. Manfred Kriener