■ Nachgedanken zum Erfolg der Berliner Fahrraddemo
: Vor der eignen Tür kehrt sich's am besten

Wer dabei war, berichtet mit glänzenden Augen: Endlich wieder einmal eine Großdemo in Berlin, endlich einmal die Blechkisten von der Rennstrecke verbannt, endlich gehörte die Avus uns. Daß die Zusammenkunft der RadlerInnen unter dem Motto Klimaschutz stand, war den meisten nicht so wichtig, bleibt doch die autofixierte Verkehrspolitik in Berlin Anlaß genug. Und auch die winzigen Fußmarsch-Demonstrationen am Samstag belegen, daß die Sorge um unsere Atmosphäre allein nur wenige Menschen auf die Straßen zieht.

Die Kombination von zwei Punkten macht es schwer, das Weltklima zu einem Demo-Renner aufzubauen: Zum einen ist das Problem global und damit so gigantisch, daß der eigene Beitrag in jedem Fall völlig unbedeutend erscheint. Die meisten Bürgerinitiativen beschäftigen sich heute damit, Straßen oder Müllverbrennungsanlagen zu verhindern. Das Klima ist dabei zwar auch ein Argumentationsstrang; in erster Linie geht es aber um den Dreck und Krach vor der eigenen Haustür. Beim Sommersmog, der nur durch regionale Straßensperren und Fahrverbote verhindert werden kann, ist die Grenze des persönlich Vorstellbaren erreicht.

Doch die Größe und Abstraktheit des Problems allein kann es nicht sein. Denn in den achtziger Jahren konnte die Bedrohung gar nicht groß genug sein, damit die Leute sich engagierten. Gegen die Apokalypse einer atomaren Weltvernichtung demonstrierten Hunderttausende. Ihre Sorge hatte allerdings aus der Sicht der Veranstalter einen entscheidenden Vorteil: Die Schuldigen waren im letzten Jahrzehnt noch scheinbar klar zu outen. Die US-Regierung, der IWF, die Atomlobby – kurzum: „die anderen“.

Das Weltklima hingegen leidet unter unserem Lebensstil, an uns selbst. Zwar gibt es nach wie vor Unterschiede, was die Dimension der Verantwortung anbelangt. Wer Autos baut oder den 3-Liter-Wagen verhindert, wer eine zentralisierte Stromversorgung verteidigt oder das Flugbenzin nicht besteuern will, verhält sich schädlicher als der Durchschnittsmensch. Aber der ißt eben auch gerne schon im März Erdbeeren aus Südafrika und Trauben aus Chile und jettet in seinem Urlaub in die Karibik oder zumindest nach Mallorca.

Und weil Grünen-WählerInnen und AbonnentInnen von Umweltzeitschriften gerade im Flugverkehr die größten KundInnen sind, trauen sie sich nicht auf die Straße. Bei der Demo gegen die verfehlte Straßenbaupolitik sind sie dann wieder dabei. Denn da stehen sie eben auf der richtigen Seite. Und die Schweine sind „die anderen“. Annette Jensen