: Und in Husum brüllt der Bär
■ „Etwas ist immer“: Ein Fußballfilm von Zekko Weber, den sich auch FußballhasserInnen ruhig ansehen können
Bundesliga-Schiedsrichter sollten sich diesen Film auf keinen Fall ansehen. Aber auch Fans des 1. FC Köln seien gewarnt. Ihnen steht in „Etwas ist immer“ von Zekko Weber ein gewaltiger Schock bevor. Es geschieht nämlich, was in Wahrheit 1993 gerade noch vermieden werden konnte: Ihr geliebter Verein steigt aus der Bundesliga ab.
Doch die FC-Anhänger brauchen nicht in Panik zu verfallen. Zum einen ist das Debakel natürlich in erster Linie üblen Machenschaften der Konkurrenz zu verdanken, zum anderen dürfen sie als Ausgleich für die Schande Pierre Littbarski in seiner größten Rolle bewundern. Wie er lässig vom Trainingsplatz schlurft, ein lockeres „Liegt was an?“ raunzt und schließlich cool bis in die Säbelbeine postuliert: „Ich bin Nichtraucher“, das schlägt Bogart und Bacall zusammen und tröstet nicht nur über den fiktiven Abstieg hinweg, sondern auch darüber, daß Filmheldin Iris anschließend fragt: „Wer war denn der Typ“.
Iris hat nämlich keine Ahnung vom Fußball und neigt ansonsten dazu, unsinnige Dinge zu tun: sie stoppt Autos, indem sie einfach davorhechtet, sie steigt zu fremden Männern ins Gefährt, die entweder zuviel oder nichts von ihr wissen wollen, sie wälzt sich mitsamt Schlafsack in einem mutmaßlich hochverseuchten Gewässer, und sie verliebt sich in einen Fan des 1. FC Köln. Der heißt Kilian und tut auch gern unsinnige Dinge: Er ist Fan des 1. FC Köln, spürt nichtgegebenen Toren nach, zieht mit einem grundnervösen Kerl namens Enzo herum. Belastet sich, nachdem er sie eigentlich schon losgeworden ist, mit einer aufdringlichen Anhalterin, obwohl er sie im Moment überhaupt nicht gebrauchen kann, und verliebt sich in eine Frau, die keine Ahnung vom Fußball hat.
Zuerst funktioniert die Sache mit Iris und Kilian überhaupt nicht, aber nachdem die beiden eine Weile lang das getan haben, was man in einem Roadmovie so tun muß – tanken, Fritten essen, Kassetten einwerfen, mit Insassen anderer Autos spaßen, im Wagen übernachten, Zeit verplempern, sich näherkommen, irgendwo ankommen –, funktioniert sie doch. Iris, die in Hamburg an der Schauspielschule vorsprechen will, gibt für Kilian die Penthesilea, er erklärt ihr die Abseitsregel. Und als sie endlich in Hamburg ankommen und Iris von ihrem väterlich-nervtötend-fürsorglichen Freund Wolf in Empfang genommen wird, ist sie schon so entflammt, daß sie Wolf Wolf sein läßt und mit Kilian nach Husum durchbrennt. Zugegeben, letzteres klingt nicht gerade abenteuerlich. Ist es aber. In Husum nämlich brüllt der Bär. Eine Band namens Jo-Joe Dante & the Coverettes spielt wilden Rock, und Kilian darf seine Fähigkeiten an der Gitarre beweisen, weil Iris wissen will, ob er ihr imponiert. Sie kann ja nicht wissen, daß er tags darauf mehr an Imponierendem bieten wird, als ihr und vor allem ihm guttut. Stilgerecht endet die Nacht mit einer Liebesszene auf dem Fußballplatz. Der nächste Tag verläuft dann nicht ganz so harmonisch, die Schuld daran hat, wie immer, der Schiedsrichter.
Gedreht wurde der unterhaltsame und spannende Film der Produktion Cut Cologne mit Niedrigst-Budget komplett in Schwarzweiß. Das eineinhalbstündige Opus lief bei den Festivals von Hof und Göteborg. Die Schnitte sind rasant, die Kameraeinstellungen raffiniert, die Charaktere glaubwürdig, der Soundtrack ist solide, und das Beste ist: Man braucht keineswegs Fußballfan zu sein, um Gefallen an der vertrackten Geschichte zu finden. Schon gar nicht FC-Köln-Fan. Matti Lieske
„Etwas ist immer“ von Zekko Weber, 87 Minuten, ab 6. April im Sputnik Südstern, Hasenheide 54, Kreuzberg
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