Gewinnen wir, fällt der Autotunnel

■ Rechtsanwalt Reiner Geulen hält auch nach Erörterungstermin die Tunnelplanung für rechtswidrig und will vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen / Er rechnet mit einem Baustopp für die Autoröhre

Nach dieser Woche atmet die Verkehrsverwaltung auf. Vier Wochen lang mußte sie sich im Lichtenberger Congress Centrum Einwände von Dutzenden von Bürgern und Initiativen gegen die Tunnelpläne anhören – jetzt geht das sogenannte Erörterungsverfahren zu Ende. Die Anti-Tunnel-GmbH, ein Bündnis aus 50 Initiativen und Verbänden, sieht auch nach Erörterung ihre Argumente gegen die Tunnel nicht entkräftet: Die milliardenschweren Tunnel für Eisenbahn, U-Bahn und insbesondere Autos seien überflüssig, rechtswidrig und bedrohten zudem den Tiergarten in seiner Existenz. Die Anti-Tunnel-GmbH wird vor Gericht ziehen. Ihr Anwalt ist Reiner Geulen, aus vielen Verfahren als Schrecken von Genehmigungsbehörden bekannt.

taz: Warum halten Sie den Bau der Tunnel, mit dem ab 1. November begonnen werden soll, für rechtswidrig?

Reiner Geulen: Für den Autotunnel müßte das Land Berlin zuständig sein, doch Bauherr ist wie beim Fernbahntunnel das Eisenbahnbundesamt.

Nach den Worten von Verkehrssenator Haase macht das Sinn. Die gemeinsame Planung beider Anlagen sei rechtlich zwingend: Auto- und Eisenbahntunnel sollen sich kreuzen und auch gemeinsame Baugruben haben.

Faktisch handelt es sich um zwei bautechnisch voneinander getrennte Bauwerke, von denen auch jedes einzeln gebaut werden könnte. Deshalb ist es unzulässig, ein gemeinsames Verfahren durchzuführen. Der wahre Grund dafür, daß alles vom Eisenbahnbundesamt gemacht werden soll, liegt darin, die Klagebefugnis der Naturschutzverbände auszuschalten. Diese Verbandsklage ist Landesrecht; bei „Planfeststellungen“ durch den Bund verlieren Berliner Naturschutzverbände die Möglichkeit, vor Gericht zu ziehen.

Aber die Verbände ziehen doch vor Gericht.

Vor Gericht muß zuerst die Klagebefugnis der Naturschutzverbände durchgesetzt werden. Gewinnen wir die Klage, fällt damit gleichzeitig der Autotunnel. Und diese Klagebefugnis der Naturschutzverbände ist deshalb außerordentlich wichtig, weil die Naturschutzbelange, wie der Schutz des Tiergartens oder die Folgen der Grundwasserabsenkungen, nur von den Verbänden geltend gemacht werden können. Denn Einzelkläger gibt es nicht, weil im Tiergarten niemand wohnt.

Was halten Sie bei den Betonröhren außerdem für rechtswidrig?

Es ist nicht ausreichend geprüft worden, ob die Tunnel – insbesondere der Autotunnel – tatsächlich gebraucht werden. Das ist ein Verstoß gegen europäisches Recht. Dann ist auch die Umweltverträglichkeitsprüfung sehr schlecht gewesen.

Glauben Sie den Beteuerungen der offiziellen Seite nicht, daß die Umwelt nur ganz gering geschädigt würde?

Nein, denn es handelt sich bei den Projekten um eine sehr tiefe Baugrube mitten durch Berlin. Das Grundwasser muß erheblich abgesenkt werden, der östliche Teil des Tiergartens wird stark beeinträchtigt werden. Und auch nach der Fertigstellung der Röhren gibt es drastische Auswirkungen. Das Grundwasser kann nicht mehr richtig fließen, weil unterirdische Fremdkörper den Weg versperren.

Sollten Sie mit Ihrer Klage Erfolg haben, was passiert dann?

Über den Antrag auf „einstweilige Anordnung“ wird das Gericht innerhalb von drei Monaten entscheiden. Wird dem Antrag stattgegeben, gibt es einen sofortigen Baustopp. Der gilt bis zur Hauptverhandlung, die vermutlich ein- bis zweieinhalb Jahre später stattfindet.

Wenn die Verbände gegen das Eisenbahnbundesamt unterliegen, wie teuer wird das dann? Eine Verzögerung der Bauarbeiten würde schließlich mehrere hundert Millionen Mark kosten.

Die Kosten für das Verfahren – also für das Gericht, für Anwälte und Gutachten – trägt der, der verliert. Schadenersatz etwa für Verzögerung bei den Bauarbeiten müßten die Verbände aber nicht zahlen.

Werden Bundesregierung und Bundestag bei einem Baustopp noch pünktlich bis 1999 nach Berlin umziehen?

Nach der bisherigen Konzeption ist eine Voraussetzung für den Bau des Regierungsviertels im Spreebogen die Fertigstellung des darunterliegenden Eisenbahntunnels. Müßten die Arbeiten am Autotunnel unterbrochen werden, bin ich ganz sicher, daß der Regierungsumzug nicht gestoppt wird.

Würde es den Umweltverbänden nützen, wenn nach den Wahlen im Oktober SPD und Bündnisgrüne die Große Koalition ablösen könnten?

Eine neue Regierung müßte dem Bund die Zuständigkeit für den Autotunnel entziehen. Dann hätten wir uneingeschränkte Klagebefugnis. Interview: Dirk Wildt