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■ DaumenkinoColor of Night

Einmal weinen können wie Bruce Willis. Auch Sie werden das Plakat mit dem Willis-March-Clinch gesehen haben, mit diesem frischgeduschten Sex. Man sieht sogar einen Teil von Bruce Willissens Dödel aufscheinen, (das kostet!), unter Wasser, könnt' gewissermaßen auch ein Fischli gewesen sein, ganz natürlich, alles ganz natürlich und vor allem: frisch. Jedenfalls ist es nicht so, wie Sie schon wieder denken.

Bruce Willis ist nämlich, denken Sie nur, ein Analytiker! Der Mann hat ja nun wirklich, was man „gleichmäßig schwebende Aufmerksamkeit“ nennt, sehr gleichmäßig sogar. Leider ist ihm da bewußtseinsmäßig weggerutscht, daß es einer seiner Patientinnen zu schlecht für ein herzhaftes Wort ging. Als er es an sie gerichtet hat, hüpft sie mit einem fulminanten Hudsucker-Proxy an ihm vorbei aus dem Fenster und stürzt in die Tiefe. Wie er hinterherguckt, kann er plötzlich kein Rot mehr sehen. Als Mann, der eben kein Rot sieht, zieht er gen Los Angeles, zu einem Freund, der eine Therapiegruppe betreibt. Was sich so ein Regisseur wie Richard Rush unter Neurotikern vorstellt, ist so ziemlich das Lustigste, was ich in den letzten tausend Jahren im Kino gesehen habe. Ein Porzellanpüppchen namens Sandra gesteht: „Ich will eigentlich, hihi, immer nur Sex, und manchmal lass' ich was mitgehen. Aber nur was Kleines!“ „Ritchie, what have you got for us?“, heißt es da, und Ritchie stottert eigentlich immer nur, wenn er seinen Walkman nicht aufhat, aber Willis macht, daß er sagen kann „ich wäre eigentlich gern eine Frau“. Einer hat 'nen Zwang, einer ist Künstler, einer hat 'ne Frau verloren. Bei ihnen kann Bruce weinen und soll es auch. Nach dem Tod ihres ersten Therapeuten, seines Freundes, durch grauenhaftes Erstechen, bitten sie ihn: Bruce, heil uns! Bruce, geh du voran! Dem kann er, weinend, nicht widerstehen. Daß der Film mit durch die Haut geschlagenen Nägeln und eisernen Jungfern als eine Art Nacht der reitenden Psycholeichen endet, paßt zu der Vorstellung, die sich diese Leute von ihrem Seelenleben machen. Das Schlimme ist: Wahrscheinlich haben sie recht. mn

„Color of Night“, Regie: Richard Rush

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