Kutte bleibt Genosse

■ Im SPD-Landesvorstand verhindert Kurt Neumann mit seiner eigenen Stimme ein Ausschlußverfahren gegen sich selbst

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Kurt Neumann hat sich selbst eine Atempause verschafft. Mit einem eigenen Antrag sorgte der umstrittene Rechtsanwalt dafür, daß der Landesvorstand am Mittwoch abend die Forderung nach einem gegen ihn gerichteten Parteiordnungsverfahren entschärfte. Mit neun zu acht Stimmen – darunter Neumanns eigener – strich das Gremium die Passage, wonach das Verfahren „mit dem Ziel des Ausschlusses“ aus der SPD eingeleitet werden sollte. Da die Satzung der SPD keine Befangenheitsgründe kenne, habe Neumann als Mitglied des Landesvorstandes an der Sitzung teilnehmen können, so der SPD-Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung.

Mit 14 gegen drei Stimmen beauftragte anschließend der Landesvorstand die Kreisschiedskommission in Steglitz – wo Neumann ordentliches SPD-Mitglied ist – mit der Überprüfung des Falles. Der Bundestagsabgeordnete, der für den Wahlkreis Kreuzberg/Schöneberg das Direktmandat hält, muß nun innerhalb eines halben Jahres mündlich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen angehört werden.

Als Sanktionen sieht die SPD- Satzung die Rüge, ein zeitweiliges Funktions-Verbot, das Ruhen aller Mitgliedsrechte bis hin zu einem Ausschluß vor. SPD-Landesgeschäftsführer Hartung versicherte, die Streichung der Ausschluß-Passage ändere nichts am Kerngehalt des eingeleiteten Parteiordnungsverfahrens. Ein Ausschluß durch die Steglitzer Kreisschiedskommission sei daher immer noch möglich. Das Abstimmungsergebnis von neun zu acht Stimmen durch den Landesvorstand wertete Hartung als „Ausdruck menschlicher Nähe“. Viele würden Neumann aus jahrelanger Arbeit kennen. Gegen den Parteilinken, der im Petitionsausschuß des Bundestages sitzt, sind zwei Strafbefehle wegen des Verdachts der Untreue und des Betruges erlassen worden. Außerdem soll er als Rechtsanwalt die Arbeit in seiner Kanzlei vernachlässigt haben. Bereits einmal wurde er wegen Standesvergehen zu einer Geldbuße von 25.000 Mark verurteilt. Anhängig ist noch ein weiteres Verfahren vor dem Ehrengericht.

Der geschäftsführende SPD- Vorstand hatte Neumann bereits im November aufgefordert, sein Bundestagsmandat niederzulegen. Kurz darauf verschwand er von der Bildfläche – nach eigenen Aussagen wegen Krankheit. Damit weitere Ermittlungen eingeleitet werden konnten, hob der Bundestag im Januar die Immunität des SPD- Politikers auf. Neumann, der dem linken Flügel seiner Partei zugerechnet wird, äußerte sich gestern gegenüber dpa erleichtert über das Ergebnis des Landesvorstandes. Er gehe davon aus, daß die Steglitzer Schiedskommission nicht mehr für einen Ausschluß stimmen werde. Severin Weiland