Pädo-Frage

■ betr.: „Der homosexuelle Mann...“ von Elmar Kraushaar, taz vom 30. 3. 95

Elmar Kraushaar beklagt, daß anscheinend neuerdings die „Pädos“ aus der „großen Gemeinschaft der Perversen“ ausgegrenzt würden. Und, ach, die Rechte war's! Und es geht nur um den „Eintritt ins Establishment“. Schwule können wohl nicht eigenständig entscheiden, wie sie mit der „Pädo-Frage“ umgehen, sondern sind da ungeschützt dem Einfluß irgendwelcher Fundis ausgesetzt.

Keine Frage, der Autor kennt sich in der schwulen Verbändeszene aus, aber hat er sich schon mal näher mit sexuellem Mißbrauch beschäftigt? Kaum anzunehmen, denn wer das Problem ernst nimmt, kann die Beschäftigung damit nicht auf das ausweichende Kokettieren mit Literaturbeispielen beschränken. Wie wär's mit sachlicher Aufklärung statt pseudolibertärer Verharmlosung? Rita Grießhaber, MdB,

frauenpolitische Sprecherin der

Bundestagsfraktion Bündnis 90/

Die Grünen, Bonn

[...] Wenn der Papst gegen den 2. Golfkrieg war, so hatte er seine Gründe. Die Gründe teile ich nicht. Aber trotzdem lehne ich die Kriegführung der Alliierten ab. Ähnlich verhält es sich mit Jesse Helms. Seine Motivation ist allgemein bekannt, ihn treibt der nackte Schwulenhaß. Aber daraus zu folgern, daß sexueller Mißbrauch von Kindern in Ordnung sei, ist schwachsinnig.

Das eigentliche Problem hast Du nur kurz angesprochen, und dann noch in Anführungsstrichen: „sexueller Mißbrauch“. Was Erwachsene im Bett und anderswo tun, ist einzig und allein deren Bier. Es ist mir egal, wenn alle Beteiligten zustimmen. Aber mit Kindern, die gar nicht wissen, was sie sich damit antun, sexuelle Kontakte zu haben, ist eine Schweinerei. Auch ich maße mir nicht an zu wissen, was in so einem Kind passiert. Aber ich kann es mir vorstellen, und ich kenne die Meinung von Wildwasser dazu, und die solltest Du Dir auch mal anhören.

[...] „Pädos“ verletzen die Rechte von Kindern, und alle Schwulengruppen, die sich dem widersetzen, helfen der Schwulenbewegung. Du aber spielst Helms und Co. nur in die Hände. Michael Ulex, Berlin

„Der homosexuelle Mann haßt seine Minderheiten“, schreibt Elmar Kraushaar sehr zutreffend und kritisiert die Entsolidarisierung innerhalb der Schwulenbewegung. Man könnte es auch anders ausdrücken: Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern Teile der Bewegung, die ihn vertritt. Denn die unsolidarischen Strukturen, die Teile der bewegten Schwesternschaft wortreich beklagen, sind auch Frucht eigener Anbiederungspolitik.

Gerade die Bürgerrechtsfraktion innerhalb der schwulen Politszene (Elmar Kraushaar nennt hier zu Recht den Schwulenverband in Deutschland, SVD), die nichts sehnlicher herbeiredet als turtelnde Tunten vor dem Traualtar, ist sich um den Preis einer vermeintlichen gesellschaftlichen Akzeptanz und political correctness nicht zu schade, substantielle Elemente schwuler Emanzipationspolitik einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Klar, wer am Rockzipfel der Mächtigen und Biedermänner hängt, der darf sich – pfui – nicht mit Kinderficker-Solidarität bedecken. Mit den perversen Perversen kann nicht Politik machen, wer im Parlament auf Bürgerlichkeit setzt, anstatt gesellschaftliche Strukturen im Kern zu hinterfragen.

Die diskriminierende Dominanz des Patriarchats wird kaum derjenige überwinden, der sich die Unterdrückungsinstrumente derselben, etwa die Ehe, zu eigen macht und als ultima ratio einer Gleichberechtigungspolitik charakterisiert. Welcher Begriff von schwuler Identität liegt dem eigentlich zugrunde? Sind Schwule in unserer Gesellschaft schon so assimiliert, daß ihnen eine selbstbewußte und vielfältige Lebensformenpolitik nicht mehr notwendig erscheint, daß sie sich bis ins letzte den Lebensrealitäten des braven Bürgers unterordnen und politische Vertreter als Hoffnungsträger aufbauen, deren Verständnis von Emanzipationspolitik sich darauf beschränkt, ein paar rechtspolitische Akzente zu setzen und zu glauben, daß damit der gesellschaftliche Konsens erreichbar sei? Ich sehe sie schon vor mir, die satten, saturierten Schwulen mit der angeheirateten Akzeptanz, die sich fest auf dem Sofa räkeln oder die Lufthoheit über den Stammtischen zu erobern trachten: frauenfeindlich und immer einen passenden Spruch für Arme, Arbeitslose und Asylbetrüger auf den Lippen.

Wer sich politisch dahin zurückziehen und es der Rechten recht machen will – bitteschön. Den Preis solcher Unterwürfigkeit aber zahlen nicht nur die Schwulen, sondern auch alle anderen Minderheiten im Lande. Stefan Mielchen, Sprecher der

Landesarbeitsgemeinschaft

Schwulenpolitik bei Bündnis 90/

Die Grünen, Hessen

Wenn sich die Schwulengruppen tatsächlich auf diese Weise still und heimlich von den Päderasten in ihren Reihen verabschiedet haben sollten, gäbe das schon ein trauriges Bild ab. Aber wohl eher, weil eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Problem fehlt und nicht, weil die große Solidarität mit den Pädos angebracht wäre. Zum Glück ist es in den letzten Jahren laut geworden um den sexuellen Mißbrauch von Kindern. Sex zwischen Erwachsenen und Kindern findet nicht zwischen Gleichen statt, sondern nutzt ein Abhängigkeitsverhältnis aus, egal ob Gewalt angewendet oder sich eingeschmeichelt wird.

Es ist niemandem damit gedient, wenn die Pädophilen nicht zu Wort kommen und wenn die Gesellschaft zur Treibjagd auf eine Minderheit bläst. Päderast zu sein ist aber noch lange kein Grund „voll Stolz“ Kinderpornos zu konsumieren und „zehnjährige ,kleine Teufel‘“ zu vergewaltigen. Zum Glück hat die Schwulenszene ein Gewissen und weiß Grenzen zu setzen. Thomas Müller, Köln

[...] Es ist ja wirklich alles dabei, dieses verklärte Schwärmen von wegen schon Leonardo da Vinci und Gide, die bösen Feministinnen und die Rechten (Ultra-Rechten!) gemeinsam gegen arme kleine Minderheiten. Das kann doch nicht ernst gemeint sein? Und wieso Minderheit? Denn Herr Kraushaar kann doch weltweit seine „zehnjährigen Teufel“ kaufen, wenn er das möchte, das Geschäft mit der sexuellen Gewalt gegen Kinder boomt ja wie nur was.

Wo liegt eigentlich das Problem? Im „Establishment“ gibt es ja schließlich auch genug Pädophile, genauso wie bei den Linken und den Schwulen und sonstwo, und deren Existenz sehe ich leider nirgendwo ernsthaft gefährdet. Dieser Beitrag (Was ist das eigentlich? Ein Pamphlet? Eine Glosse?) ist unerträglich. Birgit Frielinghaus, Dortmund