■ Nachgefragt
: „Bremen liegt mir“

taz: Warum sollte das Wählerpotential heute für die PDS höher sein als für die BAL 1983?

Gregor Gysi: Die PDS hat ein bundespolitisches Politikverständnis, das hatte die BAL nicht. Wenn man aus einer Abspaltung einer anderen Partei kommt, hat das ja auch immer den Ansatz von Verrat. Die PDS ist dagegen eine eigenständige Kraft.

Warum ist auf Platz 1 der Bremerhavener PDS-Liste ein Bremer – gegen den Willen der PDS-Gruppe dort?

Das finde ich nicht schlimm. Das ist jemand, der schon für den Bundestagswahlkampf dort kandidiert hat...

Aber er kennt sich in Bremerhaven nicht aus.

...und er hat dort mehr Stimmen bekommen als die PDS. Die Akzeptanz für diese Person war in Bremerhaven sogar größer als die für die PDS. Wir wären ja schön dumm, wenn wir diese Akzeptanz nicht nutzen würden. Würde ich in Bremen antreten, dann würde ich mich trotzdem wählen, obwohl ich nicht aus Bremen komme. Manchmal akzeptiert man eine politische Richtung, obwohl die Ortskenntnis noch nicht so groß ist. Das ist mir lieber, als jemand, der große Ortskenntnis hat, aber eine falsche Politik vertritt.

Stützt die PDS das Bremer Sanierungsprogramm?

Der Bremer Senat hat sich hier nicht gut verhalten, weil er sich hat erpressen lassen. Ich kritisiere das Sanierungsprogramm, weil mich das ein bißchen, der Vergleich hinkt natürlich, ein bißchen erinnert an das Verhalten der Weltbank gegenüber den Ländern der Dritten Welt. So kann man mit sich nicht Politik machen lassen und schon gar nicht in einem Land, das so reich ist, wie die Bundesrepublik.

Was hätte der Senat anders machen sollen?

Er hätte die Bevölkerung anders informieren und auch aufmüpfig machen sollen. Er hätte das eben nicht als Privatsache zwischen Senat, Bundesregierung und Bundesrat betrachten dürfen. Sondern er hätte sagen müssen: Dagegen organisieren wir auch den Widerstand unserer eigenen Bevölkerung, solche Auflagen lassen wir uns nicht aufzwingen.

Wie oft wollen Sie noch nach Bremen kommen bis zum 14. Mai?

Ich glaube, fest sind jetzt schon fünf Tage mit dem heutigen. Aber vielleicht kommt noch was dazu.

Fühlen Sie sich wohl in Bremen?

Ja! Von Anfang an! Mir liegt auch so ein bißchen die Mentalität. Wer aus Ostberlin kommt, hat erstens mal eine Beziehung zu einer Stadt und zweitens dazu, daß hier alles etwas langsamer läuft, das ist genau mein Tempo.

Das ist aber gerade anders als in Berlin.

Berlin ist mir ja auch zu hektisch. Die Leute hier geraten nicht so schnell in Panik.

Haben Sie da ein konkretes Beispiel?

Zum Beispiel damals bei meinen Besuch in der Vulkan-Werft. Das ging ja nun wirklich so richtig zuende, da war ja der Vergleich noch nicht da. Ich war über die Ruhe, die dort herrschte, erstaunt. Mit mehr Ruhe läßt sich auch leichter über Lösungen nachdenken.

Und dann esse ich gerne Ihren Hering, wenn es den gibt. Das letzte Mal als ich in Bremen war, bin ich gleich in eine Gaststätte gegangen und habe mich wahnsinnig auf einen Hering gefreut. Da stellte sich heraus: Die hatten überhaupt keinen Fisch. Das finde ich natürlich für eine Bremer Gaststätte einen Skandal.

Fragen: Elke Gundel