Der Doktor, das liebe Vieh etc.
: Herrlich böse

■ Ringsgwandl singt und schnüffelt heute in der Berliner Passionskirche

Wenn Nachnamen zu Marken werden, ist meist Gefahr im Verzuge, („Meiser“, „Schreinemakers“, „Ochsenknecht“, „Westernhagen“). Einer, der die beiden letzten gar nicht ausstehen kann, heißt Ringsgwandl. Manchen gilt er als der bayerische Bob Dylan. Wonach Markendesigner krampfhaft suchen, Ringsgwandl scheint schon damit geboren: Persönlichkeit. Der Mann, Arzt von Beruf, nannte seine erste Platte, 1986, vorsichtshalber „Das Letzte“. Dr. Georg Ringsgwandl arbeitete damals noch im Krankenhaus: Morgens Halbgott in Weiß, abends geschminkt wie Boy George auf der Bühne. Tausend Verkleidungen benutzte der Doktor, damit ihn seine Patienten bloß nicht wiedererkennen konnten. Und dann diese perfiden Texte, teils hektisch, teils verspielt, chansonmäßige Liedchen mit Tamtam und „Trulla, Trulla“ (Plattentitel '89): Porschefahrer „am Lindenbaum zerfetzt“, Drachenflieger am Felsen „flach zu Brei geschlagen“.

Nach den bizarren Versteckspielen des Doktors scheint Ringsgwandl nun zu seinem wahren Selbst zu finden. Da es das aber gar nicht gibt, und schon gar nicht bei einem singenden Kabarettisten, ist der neue Ringsgwandl dann doch nur eine noch perfidere Variante einer multiplen Persönlichkeit. Er sitzt ungeschminkt auf der Bühne der Berliner Passionskirche, einen verbogenen Schlapphut auf dem Kopf. Eine Band braucht er plötzlich nicht mehr, nur „der Nick“ begleitet ihn auf der Gitarre. Zwei Drittel des Abends muß Nick aber zuhören. „Is was, Doc?“ scheint er sich insgeheim zu fragen, wenn sein Kollege umständlich und weitschweifig, aber bissig wie der andere große Bayer (G. Polt), von Spaziergängen mit dem Hund durch Garmisch erzählt. „Der Hund hat solch ein großes Riechhirn“, Ringsgwandl malt mit den Händen und schnuppert in der Luft. Herrchen spricht mit dem Hund, und der antwortet auch. Als er ihm rät, den Haufen seiner Nachbarhündin noch mal abzuschlecken, damit er intensiver riecht, gerät der Hund aus dem Häuschen: Ringsgwandl schnauft, wedelt mit den Ohren, schaut glücklich wie sein Viech.

Immer kommen die hinterfotzigen Geschichtchen harmlos daher. Große, herrliche Bösartigkeiten fliegen uns zu. Ringsgwandl in der Rolle seines Lebens: als Ringsgwandl. Andreas Becker

Heute 20.00 Uhr, Passionskirche, Berlin Kreuzberg