„Gedenken heißt Eingreifen“

Ausländische Anwohner fühlen sich von einem Neonazi-Treffpunkt bedroht / Antifaschisten haben Gegenmaßnahmen angedroht, die Betreiber sagten daraufhin Treffen ab  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

„Das sind gute Leute“, betont der griechische Pächter der Gastwirtschaft „Tiroler Höhe“ im Nürnberger Stadteil Hasenbuck. Anwohner, besonders Ausländer denken da ganz anders. Das „Ausländer-Raus“- und „Heil Hitler“- Gegröle betrunkener Skinheads und regelmäßige NPD-Versammlungen im Saal der Gaststätte machen ihnen Angst. „Was sich da abspielt, ist schon bedrohlich“, erzählt ein Flüchtling aus Eritrea, der in der Nachbarschaft wohnt. Ein türkisches Mitglied des Nürnberger Ausländerbeirats berichtet, daß sich Ausländer während der Treffen der Neonazis stundenlang nicht mehr auf die Straße trauen. Für Juan Cabrera, den stellvertretenden Vorsitzenden des Ausländerbeirats, „kann es nicht angehen, daß sich Neonazis in diesem Lande wieder zusammenrotten können, um gegen Minderheiten vorzugehen“.

Mindestens seit Ende 1993 trifft sich in der „Tiroler Höhe“ die mittelfränkische NPD allmonatlich zu ihrer Versammlung. Die Referenten kommen aus dem Bundes- und Landesvorstand. In der „Tiroler Höhe“ bereden sie ihre zukünftigen Aktionen und bereiten sich derzeit auf die anstehenden Kommunalwahlen 1996 vor. Beflügelt von ihrem letztjährigen Bezirkstagswahlergebnis, wollen sie einen Sitz im Nürnberger Stadtrat erlangen. Manchmal feiern sie auch am Hasenbuck, dann wird es lautstark und gewalttätig. Zuletzt nahm die Polizei Mitte Februar über 60 Skinheads fest.

Auch am 12. April wollte sich die NPD dort wieder treffen. Als ein Bündnis aus Ausländerbeirat, Jungsozialisten und antifaschistischen Gruppierungen zur Demonstration „Weg mit dem Nazi-Treff“ aufrief, blies die NPD ihr Treffen ab. Auch der Wirt bekam kalte Füße und will sein Lokal am kommenden Mittwoch zusperren. Das Bündnis hat damit ein erstes Ziel erreicht. „In Nürnberg sollten sich Nazis nie mehr wohl fühlen können“, betont Juan Cabrera. Die Organisatoren sehen jedoch keinen Grund, ihre Protestaktion zu stornieren. „Der Vergangenheit gedenken heißt Eingreifen in die Gegenwart“, lautet ihr Motto und ihrer Meinung nach gibt es dafür viele Ansatzpunkte. In Mittelfranken ist die NPD und ihre Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) innerhalb der rechten Szene die entscheidende Kraft. Über sie läuft das „Nationale Infotelefon Franken“ und die Mailbox „BBS. Widerstand“. Strategiedebatten über Kaderstrukturen werden in der Zeitungen des in Nürnberg ansässigen „Nationaldemokratischen Hochschulbundes“ ausgetragen. In den letzten Jahren machte die örtliche JN vor Ort immer wieder durch spektakuläre Aktionen auf sich aufmerksam. Mal warfen sie bei den Bayreuther Festspielen Eier auf Gorbatschow, dann entrollten sie am Totengedenktag ein Transparent, um der „gefallenen Helden der Wehrmacht und der Waffen-SS“ zu gedenken.

Als sich am 25. März diesen Jahres in der „Tiroler Höhe“ die Führungselite bundesdeutscher Neonazis traf, waren JN und NPD ebenfalls mit von der Partei. Michael Swierczek, Chef der verbotenen „Nationalen Offensive“, Friedhelm Busse, Führer der verbotenen „Freiheitlich Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP), und Michael Petri, ehemals Vorsitzender der verbotenen „Deutschen Alternative“ in Rheinland-Pfalz und derzeit Chef der „Deutschen Nationalisten“, diskutierten in der „Tiroler Höhe“ mit dem örtlichen NPD-Bezirksvorsitzenden Ralf Ollert zum Thema „Nationale Opposition – wie geht es weiter?“.

Der Stadt ist das rechte Treiben unangenehm. Im Gedenkjahr 1995, in dem Nürnberg das Image der Stadt der Reichsparteitage und der Nürnberger Rassegesetze abstreifen will, stören solche Schlagzeilen. In ihrer Zeitung „Einheit und Kampf“ mobilisiert die JN schon zu entsprechenden „möglichst spektakulären Protestaktionen auf regionaler Ebene, um das Bild eines stiefelleckenden Deutschlands in der Weltöffentlichkeit wieder geradezurücken“.