Nationale Unterschriftenfront steht

■ Politiker von der SPD bis zur radikalen Rechten protestieren gegen „einseitige“ Würdigung des 8. Mai als Tag der Befreiung und entfachen eine heftige Kontroverse

Berlin/Bonn (AFP/taz) – Für Ignatz Bubis liegt er „auf der Ebene der Neuen Rechten“, Regierungssprecher Peter Hausmann warnt im Gegenzug vor „Schubladisierungen“: Der Aufruf einer rechten Initiative gegen eine „einseitige Sicht“ des 8. Mai 1945 als Tag der „Befreiung“ hat eine scharfe Kontroverse ausgelöst. Der Appell, der gestern als Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien, wurde von den neurechten Autoren Rainer Zitelmann und Heimo Schwilk initiiert, das Spektrum der Unterzeichner reicht von der CDU über die FDP bis ins rechtsradikale Lager. Neben Entwicklungshilfeminister Carl-Dieter Spranger (CSU) und dem Chefredakteur der Rechtspostille Junge Freiheit, Dieter Stein, firmiert auch der SPD- Politiker Hans Apel unter dem Text. Der SPD-Bundesvorstand forderte die prominenten Unterzeichner des Aufrufs aus demokratischen Parteien auf, sich unmißverständlich von ihren „falschen Freunden“ zu distanzieren.

Die Initiatoren des Aufrufs planen für den 7. Mai in München eine Gedenkfeier. Dort werden der Ehrenvorsitzende der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Alfred Dregger (CDU), und der Berliner Historiker Ernst Nolte auftreten. Sie werden, erklärte Bubis gestern, „sicher eine schöne Diskussion haben“, indem sie sich in Nationalismus gegenseitig überböten. „Diese Herrschaften scheinen zu vergessen, daß die deutsche Teilung nicht am 8. Mai 1945 begonnen hat, sondern am 30. Januar 1933.“ Die Zerstörung Deutschlands habe wie die Vertreibung Deutscher jüdischen Glaubens an diesem Tag begonnen. Am 8. Mai 1945 sei dem ein Ende gesetzt worden, wobei es auch viele schlimme Folgen für Unschuldige gegeben habe. In der Anzeige heißt es dagegen, der 8. Mai 1945 bedeute „nicht nur das Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft, sondern zugleich auch den Beginn von Vertreibungsterror und neuer Unterdrückung im Osten“ und den Beginn der deutschen Teilung. Eine „selbstbewußte Nation“ Deutschland könne nicht auf einem Geschichtsbild aufbauen, „das diese Wahrheiten verschweigt, verdrängt oder relativiert“. Hausmann sagte, viele der Unterzeichner brächten ihre ganz persönlichen Erinnerungen an diesen Tag zum Ausdruck. SPD-Vorstandssprecherin Dagmar Wiebusch forderte dagegen, die Mitglieder demokratischer Parteien müßten ihre Unterschrift zurückziehen. Es sei „kein Kavaliersdelikt, daß nationalliberale Netzwerke ihre Drähte unverhohlen bis in Bonner Ministerien und zahlreiche CDU-, CSU- und FDP-Landtagsfraktionen“ ziehen könnten. dr

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